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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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biege das später schon wieder gerade. Vorläufig soll keiner eine Verbindung zu dem Fall im Roussillon herstellen können. Ich will nicht, dass unser Mann aus der Zeitung erfährt, dass wir eine erste Spur haben.«
    »Wie du willst. Du bist der Chef.«
    François legte auf. Diese Vorgehensweise gefiel ihm ganz und gar nicht. Kellermann war ein vertrauenswürdiger Mann, er sah keinen Grund, wieso er ihn außen vor lassen sollte.
    »Und, haben Sie eine Gemeinsamkeit zwischen beiden Verbrechen gefunden?«
    Julia. François hatte sie fast schon vergessen. Er drehte den Zündschlüssel um und fuhr los.
    »Fahren wir. Auf dem Weg erzähle ich Ihnen alles, versprochen.«
    Der Touareg verließ das Hospital und bog auf eine breite Avenue ein. Mittagszeit. In den Abgasschwaden bekam man kaum noch Luft. Eingekreist von verschneiten Berggipfeln, erstickte das Ballungsgebiet unter einem metallisch blauen Himmel.
    François folgte Kellermanns Anweisungen und bog auf die südliche Umgehungsstraße ab. Die Anlage befand sich in Jarrie, einer kleinen Vorstadtgemeinde an den Ufern der Isère. Sobald er nur noch geradeaus fahren musste, begann er mit seinem Bericht über die jüngsten Ereignisse. Julia hörte zu, ohne ihm Fragen zu stellen. Sie war wie eine brave Schülerin, die das Unterrichtsende abwartete, und dann erst reagierte. Als der Profiler schließlich geendet hatte, ergriff sie das Wort:
    »Es ist also wirklich ein Serientäter …«
    »Sieht ganz danach aus.«
    »Obwohl wir noch keine drei Morde haben, die mit Sicherheit auf sein Konto gehen.«
    Seit der Autopsie hatte sich die Wahrnehmung des Kommissars geschärft. Er erklärte:
    »Die Gemeinsamkeiten sind ein entscheidendes Bewertungskriterium. Und da gibt es mehrere.«
    »Zählen Sie sie mir doch noch mal auf.«
    Er setzte den Blinker und nahm die Ausfahrt Gap, über die Route Napoléon.
    »Ich sehe drei. Nummer eins: Die Opfer sind alle gleich alt. Nummer zwei: Die verwendeten Waffen gehören derselben Kategorie an. Nummer drei: Die Morde geschahen etwa zur gleichen Zeit.«
    »Und die Tatsache, dass sie ausgeblutet wurden, zählt für Sie nicht mehr?«
    »Jetzt nicht mehr. Das ist nur eine Folge.«
    »Es ist aber auch eine Übereinstimmung …«
    »Ja und nein … Es handelt sich immer noch um einen sehr brutalen, geradezu barbarischen Angriff. In beiden Fällen benutzt der Täter ein Gartenwerkzeug. Besondere Klingen und Techniken, die uns auf die Natur verweisen und auf die Macht, die der Mensch über sie besitzt.«
    »Und das Feuer? Das ist ganz entschieden etwas anderes.«
    »Vielleicht nicht. Das Feuer ist auch ein Werkzeug. Ein natürliches Werkzeug. Die Bauern brennen manchmal ihre Felder ab, wenn sie brach liegen. Sie reinigen das Feld, bevor sie es bestellen. Aber erst einmal machen sie Klarschiff. Sie fällen die Bäume, zersägen sie. All diese Elemente folgen einer gewissen Kontinuität, gehorchen derselben Logik.«
    »Und das Gesicht? Was machen sie mit Ihrer Theorie vom falschen Selbst, dem Transsexualismus?«
    Das war der heikelste Punkt. Aber der Profiler glaubte immer noch daran.
    »Die Kremation hat eine symbolische Komponente. Wie ich schon gesagt habe, hat das Feuer etwas Reinigendes. Und das zweite Opfer ist männlichen Geschlechts. Es ist denkbar, dass der Mörder den männlichen Teil in sich selbst zerstören wollte, bevor er die Samen seiner neuen Identität pflanzt.«
    »Eine Reinigung?«
    »Vielmehr eine Art Katharsis. Dem Scheiterhaufen werden in vielen Religionen solche Tugenden zugesprochen. Man wirft den Körper in die Flammen, und die Seele kann zu ihrem Bestimmungsort auffliegen.«
    »Sofern die Verbrennung vollständig erfolgt ist. Was hier ja nicht der Fall war.«
    François hatte diesen Punkt wohl bemerkt, ihn aber nicht als Beeinträchtigung empfunden.
    »Es gibt keinerlei Kohärenz. Es handelt sich um ein Ritual, bei dem jede einzelne Etappe ihre eigene Wichtigkeit und Bedeutung hat. Das Feuer sollte Pierre Jacquet nicht töten, es sollte ihn nur reinigen. Er sollte lebendig sein wie neue Erde, die bereit ist, bestellt zu werden.«
    Er machte eine Pause, bevor er mit seiner Schlussfolgerung herausrückte:
    »Die beiden Morde bilden wahrscheinlich ein Ganzes. Die Vorgehensweise könnte daher als etwas Fortschreitendes analysiert werden. Ein symbolischer Weg zur Wiedergeburt.«
    »Fehlt noch ein Teil. Bisher hat er noch nicht ›gesät‹.«
    »Ich weiß. Weshalb auch die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er wieder töten

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