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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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2000‹ trug.
    Block 5, Eingang C, hatten ihnen die Mitarbeiter der Diözese gesagt.
    Nach einer Kurve tönte die synthetische Stimme im Fahrzeug: »Sie haben Ihr Ziel erreicht.« Marchand spähte ins Dunkel hinaus. Eine lange gerade Linie, gesäumt von riesigen Bäumen, hinter denen man undeutlich rechteckige Strukturen erkennen konnte. Keine Auffahrt.
    Er ließ den Wagen etwa dreißig Meter weiterrollen, bis er eine Passage entdeckte, eine von Straßenlaternen schwach erleuchtete Asphaltallee. Böse Überraschung. Eine quer gespannte Eisenkette verwehrte Fußgängern den Zutritt.
    François parkte den Touareg hinter einem alten BMW , von dem schon die Farbe abblätterte. Die Vorstellung, seinen Geländewagen mit Allradantrieb auf Gedeih und Verderb den Plünderern auszuliefern, gefiel ihm gar nicht. Aber es ging nicht anders. Da er zu einem Pfarrer ging, konnte er auch gleich Gott darum bitten, ein Auge darauf zu haben.
    Sie machten sich auf den Weg. Immer noch fiel ein eisiger Regen und brachte den Asphalt zum Glänzen, sodass er aussah wie ebenholzschwarze Haut. Julia lief schweigend neben François her. Die Situation gefiel ihr nicht. Allein in dieser unbekannten Vorstadt gaben sie die herrlichsten Zielscheiben ab.
    Fünfzig Meter, dann eine Biegung. Sie gelangten auf einen Platz. Brunnen, Treppen, Arkaden, alles komplett aus Beton. Sie waren von Wohnblöcken umzingelt, deren Mauern aussahen wie die eines Hochsicherheitsgefängnisses.
    Nachdem sie ziellos herumgeirrt waren, fanden sie schließlich den richtigen Block. Schon in der Eingangshalle sahen sie, was Sache war. Lepröse Wände, aufgebrochene Briefkästen, Uringestank. Fünf oder sechs Jugendliche lümmelten auf dem Boden herum – Schwarze, Weiße, Araber –, die sich aus gegebenem Anlass um einen riesigen Joint versammelt hatten.
    Einer von ihnen, ein kräftiger Kerl mit schwarzer Haut, eingehüllt in einen gefütterten Parka, fuhr die Polizisten an:
    »Jou, Mann! Was haben sich denn da für Idioten hierherverlaufen?«
    Die ganze Bande lachte blöd. François ließ seinen Polizeiausweis stecken und stellte sich dumm.
    »Wir suchen Pater Marcel.«
    »Bist ’n Pfarrer?«
    »In gewisser Weise, ja.«
    »Und sie, is das ’ne Nonne?«
    »Für sie gilt dasselbe.«
    »Scheiße, Mann, die sind ja voll scharf, die Nonnen!«
    Diesmal ein dreckiges Lachen. Der Kommissar blieb ruhig und betete, dass Julia nicht darauf einging. Als er sah, dass keiner sich rührte, stellte er seine Frage noch mal:
    »Also? Wisst ihr nun, wo er wohnt, Pater Marcel?«
    Der Schwarze stand auf. Ein Riese von einem Kerl, zehn Zentimeter größer als er. Seine vom Dope geweiteten Augen bohrten sich in die des Profilers.
    »Jetzt mal ehrlich, du siehst aus wie ’n Bulle.«
    Die anderen standen auf wie ein Mann. Marchand machte einen Schritt zur Seite und stellte sich schützend vor Julia.
    »Nur mit der Ruhe. Wir wollen bloß Pater Marcel besuchen.«
    »Den kenn ich nicht, deinen Scheißpater. Es gibt keinen Pater im Zweitausend. Und du, du Arschloch, dich fick ich gleich durch, du.«
    Der Kerl kam auf ihn zu. Instinktiv wich François zurück.
    »Lass es gut sein, Mouloud.«
    Der Befehl kam von rechts. Ein leises Stimmchen, bedächtig, kühl. Marchand wandte den Kopf und sah eine an die Wand gelehnte Gestalt sitzen. Das Gesicht war mit einer ledernen Kapuze maskiert, sie sah aus wie ein Mönch.
    Der große Schwarze muckte auf:
    »Zarma, die sind von der Kripo, sag ich dir.«
    »Was geht’s uns an?«
    »Das ist Privatbesitz hier. Da haben die Kerle nichts verloren.«
    »Hör auf mit dem Scheiß.«
    Der Kerl hielt François’ Blick zunächst stand. Er wand sich ein bisschen wie ein Rapper, dann grummelte er ein paar Beleidigungen und setzte sich schließlich wieder hin.
    »Vierte Tür rechts«, sagte der Kapuzenmann. »Am Ende des Gangs. Und vergiss den Aufzug, Alter, der ist kaputt.«
    Der Kommissar bedankte sich und zog Julia mit sich. Das Treppenhaus befand sich hinter einer Brandschutztür. Wie es dort aussah, verriet so einiges über den Gemütszustand der Bewohner. Hier kümmerte sich kein Mensch mehr um irgendwas. Es gab volle Müllsäcke, Motorteile, getrocknete Exkremente und einen zur Hälfte ausgeschlachteten Scooter. Die Wände verschwanden unter Graffitigeschmier. Der Boden war klebrig. Aber das Schlimmste war wahrscheinlich der Geruch: eine explosive, undefinierbare Mischung, bei der einem speiübel wurde.
    Sobald sie oben angekommen waren, stießen sie auf einen langen,

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