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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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abkaut.«
    Ohne jede Vorwarnung tauchte eine kleine Brünette auf. Von oben bis unten durchgestylt, geschminkt bis zum Anschlag, nach Parfüm stinkend. Sie gab Rémi mit spitzen Lippen ein Küsschen, warf den Polizisten einen neugierigen Blick zu und verschwand, wie sie gekommen war.
    Marchand nahm den Faden wieder auf.
    »Du hast Jacquet also hierhergebracht.«
    »Jo.«
    »Wie ist es gelaufen?«
    »Ehrlich gesagt nicht so toll. Ich wusste nicht mehr, wohin mit mir.«
    »Ich frag dich nicht, wie es dir ergangen ist. Um deinen Freund geht’s mir.«
    »Ich habe Ihnen schon gesagt, dass das gar nicht mein Freund war.«
    »Einverstanden, erzähl mir trotzdem davon.«
    Rémi seufzte und sah sich um. Die Polizisten störten ihn.
    »Das war kurz nach Schulanfang, gleich nach den Ferien. Wir hatten gerade mal ein, zwei Bierchen gezischt. Er war recht nervös. Für ihn war das echt nicht so einfach hierherzukommen.«
    »Hast du ihm deine Freundinnen vorgestellt?«
    Cazenove machte ein verschmitztes Gesicht.
    »Ich habe abgewartet, bis er ein bisschen angetrunken war. Dann habe ich ihn auf Karine angesetzt. Die tut einem gern mal einen Gefallen.«
    »Und dann?«
    »Ich bin’s nicht gewohnt, den Anstandswauwau zu spielen. Ich habe sie ihrem Schicksal überlassen.«
    »Und was ist dabei herausgekommen?«
    »Sie brauchen sie nur zu fragen, dahinten steht sie.«
    Er deutete auf eine junge Frau, die an der Theke stand, die Ellbogen auf dem Tresen. Sie hatte rabenschwarzes, zu einem wilden Turm hochgestecktes Haar, die Lider mit dem Lidstrich verlängert und reichlich Lippenstift aufgetragen. Sie war betont vulgär und schien sich für Amy Winehouse zu halten.
    »Okay. Wir schauen sie uns mal an, und dann kommen wir zurück. Und du rührst dich nicht von der Stelle.«
    Der Weg dorthin war beschwerlicher. Die Jugendlichendichte pro Quadratmeter war in die Höhe geschossen. Die Polizeibeamten mussten ihre Ellbogen einsetzen, um an ihr Ziel zu gelangen.
    »Karine?«
    Sie war allein, vertieft in die Lektüre der Zeitschrift Voici .
    »Ja?«
    »Polizei. Können wir uns kurz mit dir unterhalten?«
    »Soll das ein Witz sein?«
    Der Wirt hatte sich dazugestellt. Er spülte die Gläser und ließ sich dabei nicht aus der Ruhe bringen. François trat an Karine heran und flüsterte ihr ins Ohr:
    »Wir können nach draußen gehen, wenn du magst. Das fällt nicht so auf.«
    Sie sah ihn prüfend an. Dann blickte sie zu Julia. Ihre Anwesenheit schien sie zu beruhigen.
    »Einverstanden. Ich wollte sowieso eine rauchen gehen.«
    Draußen hatte es angefangen zu regnen. Eisige Nägel, die einem in die Haut stachen. Karine spannte einen Regenschirm auf und zündete sich eine Zigarette an.
    »Also? Worüber reden wir?«
    Der Kommissar redete nicht lang um den heißen Brei herum.
    »Pierre Jacquet.«
    »Wen?«
    »Ein Blonder. Ziemlich verklemmt. Rémi Cazenove hat ihn dir letzten Monat vorgestellt.«
    Sie atmete den Zigaretterauch tief ein und stieß ihn dann beim Reden wieder aus.
    »Ach ja … Ich habe nicht verstanden, warum Rémi mich unbedingt mit dem verkuppeln wollte.«
    Es sah nicht so aus, als wüsste sie Bescheid, was geschehen war. Schließlich fand man diese Art von Information nur selten im Voici .
    »Erzählst du uns ein bisschen was davon?«
    »Da gibt’s nicht viel zu sagen. Ich hatte das Gefühl, ich mache ihm Angst. Das einzige Positive an ihm war seine ausgesprochene Höflichkeit. Das ist so selten, dass es einem auffällt.«
    Na wunderbar. Auskünfte dieser Art würden sie nicht weiterbringen. François zitterte vor Kälte. Der Regen lief ihm in den Kragen. Julia hüpfte von einem Bein aufs andere in der Hoffnung, das würde sie ein bisschen aufwärmen. Sie mussten das Gespräch zu einem Ende bringen.
    »Hast du mit ihm geschlafen?«
    »Was?«
    »Du scheinst anderen ganz gern mal einen Gefallen zu tun.«
    »Das vielleicht schon. Aber es gibt Grenzen. Behinderte sind nicht meine Sparte.«
    »Übertreibst du da nicht ein bisschen?«
    »Kaum. Der traute sich ja nicht mal, mich anzusehen. Alles Weitere mag ich mir gar nicht erst vorstellen.«
    Sie zog an ihrer Kippe und warf sie dann zu Boden.
    »Reicht das? Sind wir fertig? Mir ist nämlich arschkalt.«
    Sie steckten fest. Diese kleine Bande von Hochgestylten hatte nichts mit Pierre zu tun gehabt, und wieder hieß es: zurück auf Start. François stellte aufs Geratewohl eine letzte Frage.
    »Hat Cazenove ihn außer dir auch noch anderen Leuten vorgestellt?«
    »Keine Ahnung, ehrlich.

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