Wer Boeses saet
mit leeren Dosen, irgendwelchen Fundstücken und riesigen, vollgestopften Müllsäcken. Etwas weiter weg versuchten ein paar Penner, sich vor einem selbst gebauten Ofen ein wenig die Knochen zu wärmen. Gebeugte Rücken, ein räudiges Rudel, laute Stimmen. Die Avantgarde der Ausgestoßenen. Wahrscheinlich waren das alles solche, die es vorzogen, unter freiem Himmel zu leben. Ganz gleich, wie groß die Risiken waren.
Durch diese Müllhalde musste man hindurch, wenn man ins Gebäude wollte. Eine verlassene Lagerhalle aus Backstein und Metall, in der alle Fenster zerbrochen waren. Das riesige Gebäude erhob sich im Dunkel der Nacht wie ein gestrandeter Frachtdampfer. Es gab kein Licht. Ringsum nichts als Brachland.
Als François das Gelände betrat, löste er die Sicherheitslasche seines Holsters und holte seine Waffe heraus. Julia tat es ihm unverzüglich gleich. Mit der freien Hand fuhr der Polizist in die Tasche, um sicherzugehen, dass er das Foto des Opfers noch immer bei sich trug.
Er schaltete die Taschenlampe ein und ging los.
»Der Pitbull«, so wurde er genannt. Den mussten sie finden. Laut Pater Marcel war er eine Art Herrscher über die Hausbesetzergemeinschaft. Sollte Pierre damals zurückgekommen sein, um sich dort einmal ganz lässig umzuschauen, dann wüsste er Bescheid. Und er könnte ihnen auch sagen, mit wem er sich eingelassen hatte.
Das Erdgeschoss. Riesig, leer, eisig kalt. Hier und da ein paar improvisierte Unterstände, die wie Kinderhöhlen wirkten. Die Polizisten gingen auf eine von ihnen zu.
»Hallo! Ist da wer?«
Ein Grunzen war zu vernehmen.
»Hau ab!«
»Ich suche den Pitbull.«
»Hau ab, sag ich dir!«
François kniete nieder und hob die Wolldecke an, die als Türöffnung diente. Ein infernalischer Gestank stieg ihm in die Nase. Pisse, Fusel und Scheiße. Im Dämmerlicht der Höhle lag zusammengekrümmt ein Mensch, eingehüllt in mehrere Schichten Zeitungspapier.
Der Kommissar richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf die Augen dieses Wracks und wiederholte in schärferem Ton:
»Also was nun, sagst du mir jetzt, wo er ist, oder muss ich dich mitnehmen?«
Der Penner hob den Unterarm schützend vors Gesicht. Marchand sah nur die dünnen, vor Kälte schrundigen Lippen, ein schlecht rasiertes Kinn und eine rot geäderte Nase.
»Mensch, nimm die Lampe weg!«
»Zuerst antwortest du mir.«
»Bist du ein Bulle?«
»Schon möglich.«
»Dreckskerl.«
»Nun mach schon. Ich hab noch was anderes zu tun.«
»Ich weiß nicht, wo er ist, dein Pitbull. Geh doch einfach da oben nachschauen.«
François richtete den Lichtstrahl zur Seite und fragte mit einer etwas sanfteren Stimme:
»Wo da oben?«
Der Kerl bewegte sich langsam und schwerfällig. Mühsam erhob er sich ein wenig. François wiederholte:
»Wo?
Stille, dann ein Räuspern. Schließlich murmelte der Penner:
»Im Fort. Da sind sie alle. Die ganzen Arschgeigen.«
»Wie kommt man da hin?«
»Ganz hinten ist eine Treppe.«
François stand auf. Julia hatte ihre Waffe gezückt.
»Nein«, befahl er, »noch nicht.«
»Machen Sie Witze? Ist Ihnen klar, wo wir hier sind?«
»Wir haben die Information ja gerade erst erhalten.«
»Und die werden einfach nur mal zum Spaß ein paar Bullen auf die Hörner nehmen.«
Sie hatte nicht unrecht. Die Konstellation war nicht ideal. Sie waren ganz klar an einem geschützten Ort, in dem eine Bande von Gaunern sich gegen jeden Angriff von außen zur Wehr setzte. Aber die Polizisten wussten, mit welchem Zaubermittel sie sich Einlass verschaffen konnten: Pater Marcel.
»Seien Sie vorsichtig, das wird schon funktionieren.«
Julia steckte unwillig ihre Sig Sauer zurück ins Holster. Ohne ihr Zeit zum Nachdenken zu lassen, steuerte Marchand das Ende der Lagerhalle an. Dicht an der Wand führte eine Metalltreppe nach oben. Sie wand sich Richtung Decke, um in zehn Metern Höhe in einem dunklen Loch zu verschwinden. Die Taschenlampe in der Hand, packte der Kommissar das Geländer und machte sich an den Aufstieg.
Sie brauchten gute zwei Minuten, um zu dem Stockwerk zu gelangen. Die Treppe wankte, und François hatte ein paarmal das Gefühl, sie würde bald aus den Angeln reißen. Oben sah man einen langen Gang. Ein diffuses Licht, das wahrscheinlich von Kerzen stammte, ließ die Schatten tanzen.
Sie gingen weiter. So gut wie überall gab es Türen. Vielleicht ehemalige Büros. Hinter der ersten Tür befand sich ein winziges Kabuff, in dem stapelweise Matratzen gelagert wurden. In der einen
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