Wer Boeses saet
sie auf, ihm zu folgen.
Sie fuhr über eine Kieselsteinallee und parkte neben der Limousine auf einer Art Vorplatz, auf dem bereits ein Mercedes Cabriolet vor sich hin döste.
Julia stieg aus dem Auto. Sie hörte das gedämpfte Türenschlagen des deutschen Wagens. Im Dämmerlicht sah sie zwei langgliedrige Gestalten auf sich zukommen.
»Haben Sie leicht hergefunden?«
Éric Barmonts Stimme klang zwar warmherzig, aber vielleicht ein bisschen übertrieben, als würde er sich verstellen.
»Kein Problem«, antwortete Julia.
Die Polizistin drehte sich zu der Frau um, die stehen geblieben war. Instinktiv wusste sie, dass der Kontakt zu ihr nicht so einfach sein würde. Die Frau wünschte ihr nur reserviert »Guten Abend«, trat aber nicht näher.
»Kommen Sie«, sagte Barmont, »drinnen ist es gemütlicher.«
Das Paar war ganz offensichtlich erfolgreich. Die Spitzenklassewagen waren nur der Anfang, das äußere Zeichen eines Reichtums, für den das Haus der schreiende Beweis war. Die Villa war groß und protzig und roch nach dem Geld der Neureichen. Der Salon, in den Julia geführt wurde, war komplett mit Marmor ausgelegt. Es gab einen von bläulichen Adern durchzogenen Boden, blassrosa Wände und einen von zwei Statuen in Menschengröße eingerahmten massiven Tisch. Caramelfarbene persische Teppiche hoben ein wenig die Temperatur in diesem eisigen Tempel des schlechten Geschmacks.
Den wenigen Informationen, die Devaux ihnen geliefert hatte, entnahm sie, dass die Barmonts Friseure waren. Ganz wie die Tochter, nur spielten sie in einer anderen Liga. Sie besaßen drei Salons in der Gegend, Franchiseunternehmen, die unter dem Namen Jacques Dessange firmierten. Das Unternehmen lief phänomenal gut und beschäftigte vierzig Angestellte.
Die Frau legte ihre Wildlederjacke auf den Sofarand und sagte zu Julia:
»Ich fühle mich wie gerädert … Kann ich Sie mit meinem Mann allein lassen?«
Ihre Stimme klang herablassend. Ein Tonfall, der perfekt zu ihrer Person passte. Sie war groß, immer noch schön, wirkte distanziert.
Ihr Mann wartete die Antwort der Ermittlungsbeamtin gar nicht erst ab.
»Geh schon, Baby. Ich kümmere mich um alles.«
Er drückte ihr einen Kuss auf die Lippen und sah ihr mit verliebtem Blick nach, wie sie sich entfernte. Eine winzige Sekunde lang fühlte Julia sich überflüssig. Eine Voyeurin, die in das Privatleben eines Paares eindrang, das in völliger Symbiose lebte. Barmont kam auf sie zu.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
Die Ermittlungsbeamtin kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dieser Mann hatte gerade seine Tochter verloren. Und zwar unter entsetzlichen Umständen. Trotzdem setzte er ein verführerisches Lächeln auf und bot ihr einen Drink an!
Sie erwiderte ein wenig barsch:
»Danke, machen Sie sich bitte keine Umstände.«
Er lächelte weiter und ließ sich in einen Metallsessel fallen. Während sie ihm gegenüber Platz nahm, beobachtete sie ihn. Ein gut aussehender Mann in den Fünfzigern, sonnenstudiogebräunt, die Schläfen grau meliert, der Haarschnitt perfekt. Der Prototyp des alternden Playboys, stets nach der neuesten Mode gekleidet, ein regelmäßiger Besucher von Fitnessstudios.
Er verschränkte die Arme und fragte:
»Also? Womit fangen wir an?«
Julia wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. Sie verlor hier ihre Zeit, und das Verhalten dieses Mannes bereitete ihr Unbehagen. Da sie nichts vorbereitet hatte, versuchte sie, sich an die wesentlichen Punkte zu halten, die François herausgefunden hatte: ihr Leiden im Verbund mit einer ungesunden Beziehung zum Vater; die Reaktion auf die Angst, die sie damit zu kurieren suchte, dass sie sich prostituierte. Ein Detail aus der Ermittlungsakte kam ihr wieder in den Sinn. Ein Detail, das jetzt einen Sinn ergab und mit dem sie das Gespräch eröffnen konnte.
»Lucie wurde letztes Jahr für mündig erklärt, nicht wahr?«
»Auf dem Papier, ja …«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Sie bekam weiterhin Geld von mir.«
Diese Information hatte François ihr schon gegeben. Lucie prostituierte sich nicht, um ihr Monatseinkommen aufzubessern. Die Gründe waren eher persönlicher Natur.
Julia zeigte sich trotzdem erstaunt.
»Warum dann diese Maßnahme?«
»Sie hatte uns darum gebeten.«
»Und Sie haben eingewilligt?«
»Sie hatte nicht mehr lange bis zur Volljährigkeit. Wir haben den Prozess lediglich beschleunigt.«
Die einzige greifbare Emotion: Gereiztheit. Barmont machte nicht den Eindruck,
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