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Wer Braucht Schon Eine Gucci-Tasche

Titel: Wer Braucht Schon Eine Gucci-Tasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dee Davis
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dafür gibt. Man muss nur bereit sein, ihn zu zahlen.«
    Noch nie hatte ich so … pragmatische Worte aus dem Mund meiner Großmutter gehört. Und ich war keineswegs sicher, ob es ihr wahres Ich war, das aus ihr sprach. Oder vielleicht wollte ich auch nur nicht diese Seite an ihr sehen. Vermutlich hatte ich mich immer an dem Gedanken festgehalten, dass sie mit meinem Großvater fortgegangen war, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Die Vorstellung, dass es nicht so gewesen war, mutete seltsam an.
    Andererseits war ich vielleicht spitzfindig, wie so oft. Schließlich hatte ich schon immer dazu geneigt, die Dinge ein wenig überzuanalysieren. Aber wie auch immer …
    »Ich weiß nie, was ich hier nehmen soll«, sagte meine Großmutter und studierte immer noch die Speisekarte. »Was um alles in der Welt soll ein Meerwasserhuhn sein? Ein letztes Fundstück aus der Titanic ?«
    »Nein.« Clinton lachte. »Das wäre mittlerweile steinalt. Außerdem ist es ein in Meerwasser mariniertes Huhn.«
    »Das ist doch das Gleiche. Wer will schon ein ertrunkenes Huhn auf dem Teller?«
    »Harriet«, sagte ich lächelnd. »Das bedeutet nur, dass es in Salzwasserlake mariniert wurde. Genau das macht es ja so saftig.«
    »Wieso schreiben sie das dann nicht einfach hin?« Stirnrunzelnd schlug sie die Speisekarte zu. »Ich verstehe diese neumodischen Speisekarten nicht. Da stehen so viele Alliterationen und blumige Umschreibungen, dass keiner eine Ahnung hat, was er auf den Teller bekommt. Entweder ist alles mit einer Kruste von irgendetwas versehen – was an sich schon grässlich klingt –, oder es wird mit Zutaten serviert, von denen ich noch nie gehört habe und die ich folglich auch nicht aussprechen kann. Und dann wird alles aufeinandergehäuft, so dass keiner mehr die einzelnen Lebensmittel unterscheiden kann.«
    »So etwas bezeichnet man als Vertical Cuisine«, erklärte ich. »Dabei werden die Zutaten nach oben ausgerichtet statt horizontal.«
    »Ich möchte mein Essen lieber nebeneinander, herzlichen Dank«, entgegnete Harriet.
    »Am besten auf einem unterteilten Teller«, sagte ich lachend und reichte dem Kellner die Speisekarte. »Ich nehme die Hummercremesuppe und danach den Forellenbarsch.« Der Fisch wurde mit Fenchel-Blumenkohl-»Risotto« und einem Relish aus Artischocken und Limonen in Picholine-Olivenöl serviert. Das klang exotisch. Was es für mich nur umso aufregender machte. Zu sehen, wie ein Meisterkoch verschiedene Elemente zu einem perfekten Gericht zusammenfügte, war für mich schon das halbe Vergnügen. Und Eric Hara war ein wahrer Meister darin.
    »Ich nehme das Hühnchen«, erklärte Harriet strahlend. »Und noch einen Martini. Was passt besser zu einem feuchten Hühnchen als eine feuchte Kehle?«
    »Ich glaube nicht, dass Wodka als Flüssigkeitszufuhr gilt«, erklärte Clinton kopfschüttelnd, nannte dem Kellner seine Wünsche und reichte ihm seine Karte. »Und, haben Sie vor, eine Weile in New York zu bleiben?«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte Harriet. »Ich bin nur zurückgekommen, um zu sehen, ob es Andi gut geht.«
    Aber Andi ging es nicht gut. Mein ganzes Leben schien aus den Fugen geraten zu sein. Nicht dass ich das jemals zugeben würde – trotzdem hätte es mich gefreut, wenn es ihr aufgefallen wäre.
    »Die Wahrheit ist«, fuhr Harriet fort, ohne auch nur ansatzweise zu ahnen, was in mir vorging, »dass ich mich seit Nikos Tod hier nicht mehr wohlfühle. Zu viele Erinnerungen. Hier gibt es nichts mehr, was mich noch hält.«
    »Was ist mit mir?« Die Worte waren in einem spontanen Anfall von Unmut aus mir herausgesprudelt.
    »Ach, Schatz«, sagte sie und klang mit einem Mal genau wie Althea. »Du weißt doch, wie ich das meine. Nach dem Tod deines Großvaters und dem Verschwinden deiner Mutter brauche ich einfach etwas Raum für mich. Es hat nichts mit dir zu tun. Ich bin doch sofort gekommen, als du mich brauchtest.«
    »Ich weiß«, seufzte ich. »Ich wollte damit auch nicht andeuten, dass du dich nicht um mich kümmerst. Es wäre nur nett, wenn du eine Weile bleiben würdest.«
    Sie tätschelte meine Hand und gab gleichzeitig dem Kellner ein Zeichen. »Ich glaube, ich hatte noch einen Drink bestellt? Also wirklich«, sagte sie und wandte sich wieder mir zu. »Der Service ist auch nicht mehr das, was er mal war. Ach, Schätzchen, du weißt doch, dass ich dich liebe. Aber Ende der Woche werde ich in Paris erwartet. Graf Barogie gibt eine große Party. Alle werden dort sein. Ich habe sogar

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