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Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)

Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)

Titel: Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu Pera
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Augen. Du hast wohl noch nicht verstanden.“ Der Schmerz durchzieht mich unerwartet. Er drückt mein Handgelenk so fest, dass ich in die Knie gehe. Meine Brust schnürt sich zusammen. Panisch winde ich mich aus seinem Griff, doch er lässt nicht locker. Erst als ich mit der Ohnmacht kämpfe, lässt er von mir ab. Krampfhaft ziehe ich Luft in meine Lunge. Ich sehe mir die Stelle an, an der er mich gepackt hatte. Sie ist blutrot.
     

    Vollkommen kraftlos schleppe ich mich ins Dorf. Ich fühle mich, als hätte mir jemand die Lebensenergie ausgesaugt. Der Wind zerrt an meinem Haar, doch diesmal habe ich den Knoten vor Wut so festgezogen, dass er sich nicht löst.
    An Atok, dem Fischerjungen, der mich mit Komplimenten überschüttet, gehe ich einfach vorbei. Vorsichtshalber meide ich den Blick auf die Schmiedgesellen. Ich bin nicht in Stimmung fürs Männeranschmachten, genauso wenig für einen Kampf um die Hufeisen. Umso erleichterter bin ich, als ich den dicken Schmied nirgendwo entdecken kann.
    Zu früh gefreut – er stapft geradewegs um die Ecke der Werkstatt und mustert mich kritisch. Ohne Umschweife male ich das Hufeisen in die Luft und zeichne die Zahl 20 auf den verrußten Amboss, an dem gerade niemand arbeitet.
    „Beliar, kümmere dich darum. Ich bin in Eile. Und räum vorsichtshalber die Äxte weg. Nicht, dass sie mir noch mal meinen Balken durchlöchert.“ Ha, hast wohl Schiss vor mir.
    Einer der Gesellen geht zur Truhe und füllt einen Sack mit den Hufeisen.
    „Hier.“ Erst nachdem er sich räuspert, reagiere ich. Sorry, war in Gedanken versunken.
    „Ist alles in Ordnung?“ Verwirrt starre ich in eisblaue Augen, die zu dem süßen Halbgott mit den Tattoos gehören und sich direkt in mein Eroberungszentrum bohren. Er hat sogar etwas Ruß im Gesicht. Mit übermenschlicher Kraft unterdrücke ich das Bedürfnis, ihm über die Wange zu streichen. Im nächsten Moment schaltet sich mein Gehirn wieder ein und ich nicke schwach. Sogar zum Flirten fehlt mir die Kraft.
    „Der Sack ist schwer. Bist du sicher, dass du ihn tragen kannst?“ Jetzt mach mal halblang! Ich bin kein schwaches Weibchen, das gleich schlappmacht. Ziemlich verärgert zerre ich an dem Sack, den er immer noch in der Hand hält. Stirnrunzelnd legt er mir den Tragegriff über die Schulter. Das Teil ist so schwer, dass mich die Last runterzieht und mich so richtig schön auf den Hintern setzt.
    Das beschreibt ziemlich bildhaft, wie Scheiße es zurzeit läuft. Mein Rücken rebelliert. Krampfhaft atme ich den Schmerz weg.
    Starke Arme ziehen mich hoch, als würde ich nichts wiegen. Ich wanke sogar leicht. Er hat diesen „ich-habs-dir-ja-gleich-gesagt“ Ausdruck aufgesetzt, der in mir Aggressionen aufsteigen lässt. Mit der Hand fahre ich mir erschöpft über die Stirn. Sein Blick folgt meinem Handgelenk, das mittlerweile in allen Farben schillert.
    „Du solltest zweimal gehen.“ Bist wohl ein ganz schlauer Bursche, was? Hast du sie noch alle? Ich geh doch nicht zweimal. Ich zeige auf den Stapel leerer Säcke und verlange einen zweiten.
    Mit hochgezogenen Augenbrauen händigt er ihn mir aus. Ich räume die Hälfte der Hufeisen in den zweiten Sack um. Als ich fertig bin, knie ich mich zwischen die Säcke, lege mir die Tragegriffe um die Schultern und stehe auf. Scheiße, ist das schwer.
    Damit schaff ichs nie bis nach Hause, aber ich hab auch meinen Stolz und wanke davon ohne mich nochmal zu dem jungen Mann umzudrehen. Der Typ ist echt heiß. Schnell schüttle ich den Kopf. Hör auf, dich in jeden zu vergucken, der dir über den Weg läuft. Was du davon hast, sieht man ja an Nicks Beispiel.
    Nick – die Wut über sein Benehmen lässt mich die Last gleich leichter ertragen. Ich stell mir einfach vor, die Hexen-Quasselstrippe nervt ihn mit der Zeit so, dass er sie abschießt.
     
    Nach der halben Strecke weiß ich, wie sich Sisyphos gefühlt haben muss. Ich komme erschreckend langsam voran. Immer wieder muss ich Rast machen. Auf meinen Schultern haben sich schon rote Striemen gebildet. Wieso bin ich nicht zweimal gegangen? Wem will ich hier eigentlich was beweisen? Der Schmiedgeselle würde sich sowieso nie mit mir einlassen. Immerhin bin ich unterste Schublade – gesellschaftlich gesehen.
    „So sieht man sich wieder.“ Erschrocken drehe ich mich um. Mir bleibt der Mund offen stehen. Die Säcke poltern zu Boden. Das ist jetzt nicht wahr. Vor mir steht der Stiernacken mit Narbengesicht, der mir in dem Café in meiner Welt an den Hintern

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