Wer den Tod ruft: Thriller (German Edition)
Mandelgebäck.
Seine braunschwarzen Augen hatten es ihr noch immer angetan. Und sie saß da in einem weißen Laborkittel und mit einem schlampig gebundenen Pferdeschwanz. Nun, sie hatte ja auch schon zwei Stunden gearbeitet. Das war ihre Neun-Uhr-Kaffeepause.
Sie musterte ihn genauer. Er trug ein gestärktes weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und eine dunkle Stoffhose.
Waffe und Dienstmarke steckten im Hüftgürtel.
Er war angezogen wie alle Detectives von der Mordkommission, mit denen sie bisher zusammengearbeitet hatte. Bei ihrem ersten Treffen war er etwas ungenau gewesen, als er sich nur als Polizist vorgestellt hatte.
Sicherlich war es kein Zufall, dass er in der Cafeteria im Erdgeschoss Punkt neun Uhr aufgetaucht war.
»Du hast mich ausspioniert. Zuerst meinen Dienstplan.« Sie blickte auf den Milchkaffee und das Gebäck auf dem Tisch. »Und dann meine Frühstücksgewohnheiten.«
Er lehnte sich zurück. »Ist das schlimm?«
»Ja. Und noch schlimmer ist, dass du hierhergekommen bist. Ich hatte dich gebeten, vorher anzurufen. Ist das nicht ein bisschen dreist, Detective Santos?«
»Ric.«
Sie zog die Augenbrauen hoch und wartete auf eine Antwort.
»Ich will dich etwas fragen«, sagte er. »Wie viele Detectives rufen dich durchschnittlich in der Woche an?«
Dutzende. Weiß der Teufel, wie sie alle an ihre Durchwahl herangekommen sind. Ein jeder wartete ungeduldig auf seine Laborergebnisse, wofür sie Verständnis hatte. Doch würde sie jeden einzelnen Anruf beantworten, käme sie nie zum Arbeiten. Deshalb landeten alle Gespräche von außerhalb automatisch auf der Mailbox.
»Ich musste mit dir sprechen«, sagte er. »Und wenn ich persönlich vorbeikomme, sind meine Chancen größer. Deine Frühstücksgewohnheiten vergesse ich, wenn es dich beruhigt.«
Sie schüttelte den Kopf. Sie kam sich vor wie der letzte Idiot. Aber immerhin hatte er ihr Frühstück gekauft. Und immerhin hatte er die Höflichkeit besessen, sie erst in der Pause anzusprechen.
Sie trank von ihrem Milchkaffee. Er hatte Süßstoff hineingetan. Seine detektivischen Fähigkeiten waren beeindruckend. »Was also willst du von mir?«
Er ließ die Frage erst einmal unbeantwortet. Und für einen Augenblick fühlte sie sich in die Bar zurückversetzt, als sie mit ihm geflirtet hatte und dem Irrtum erlegen war, er wollte es auch.
»Angeblich bist du die Beste hier. Und ich schlage mich mit einem ungeklärten Mord herum.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Zeitung. »Vielleicht hat er mit der Geschichte auf Lito Island etwas zu tun.«
»Warum wendest du dich nicht an die Beamten dort? Die haben eine Task Force zusammengestellt. Sogar das FBI mischt mit.«
»Habe ich bereits. Der zuständige Beamte, Polizeichef Breck, hält nichts von meiner Theorie.«
»Vermutlich steht sie auf wackeligen Füßen.« Mia betrachtete ihn von der Seite.
»Schlimmer. Es ist eine Schnapsidee von mir«, sagte er. »Deshalb brauche ich deine Hilfe.«
»Wie alt ist der Fall?«
»Fünf Jahre.«
Mia stieß einen Seufzer aus. »Und ich vermute mal, es geht um eine DNA -Probe.«
»Ja. Warst du schon mal in der Teufelsschlucht?«, fragte er. »Ungefähr zehn Meilen von hier. Ein zerklüfteter Landstrich, einer der schönsten von Zentraltexas.«
»Ich bin kein großer Wanderer.«
»Ich auch nicht. Vor ungefähr fünf Jahren wurden zwei Mädchen vom College dort vermisst, unabhängig voneinander. Beide waren zum Wandern aufgebrochen und sind seitdem nicht mehr gesehen worden.«
» Überhaupt nicht mehr? Nicht mal ihre Leichen hat man gefunden?«
»Nichts.«
»Und wo ist deine DNA -Probe? Oder hast du ein Kleidungsstück des Verdächtigen?«
»Es gibt keinen Verdächtigen«, sagte er. »Wir haben nur ein paar dürftige Hinweise, die uns aber nicht weiterbringen.«
»Und was soll ich dann analysieren?«
»In beiden Fällen wurde die Kleidung der Opfer in einer Mülltonne nicht weit vom Wanderweg gefunden. Ich bin mir sicher, die Mädchen haben sich nicht selbst ausgezogen.«
In Mias Vortrag für Polizeibeamte vor ein paar Monaten war es auch um den Mord an Jon Benet Ramsey gegangen. DNA -Spuren auf der Strumpfhose des Mädchens hatten den Vater als Verdächtigen entlastet.
»Du hoffst auf Täterspuren auf der Kleidung der Mädchen. Hab ich recht?«, fragte sie.
Ihre Blicke trafen sich, und sofort wusste sie wieder, warum sie in der Bar ein Auge auf ihn geworfen hatte.
»Mia, ich habe zwei vermisste Mädchen und keine einzige Spur in fünf
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