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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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»Schließlich hat man uns befohlen, uns keine unnötigen Probleme aufzuhalsen.«
    »Das sind die anderen«, sagte Hildy. »Sie haben ernste Probleme.«

 
     
8. Kapitel
     
    Von London nach Bettyhill sind es zwar fünfhundertzwanzig Meilen Krähenluftlinie, aber wenn es sich bei der fraglichen Krähe um einen durchtrainierten Verwandler handelt, der es zudem eilig hat, dauert die Reise nur etwas länger als zwei Stunden.
    Brynjolf ließ sich auf der Fensterbank der Polizeiwache nieder und glättete die zerzausten Federn. Abgesehen von einer Turbulenz über Derby und einem unangenehmen Moment über Dornoch, als ein Bussard seine Bahn kreuzte, war der Flug relativ ereignislos verlaufen, und er wußte, daß der verzwickte Teil seiner Mission noch vor ihm lag. Vorsichtig spähte er durch das Fenster und lauschte.
    »Nein, ich weiß nicht, wer diese Leute sind«, sagte der blaugekleidete Mann, »aber sie haben uns mächtig eingeheizt. Vielleicht solltet ihr einen Wasserwerfer oder so was hochschicken.«
    Die Antwort auf dieses Ersuchen war offensichtlich nicht die, die der blaugekleidete Mann erwartet hatte, denn er antwortete nur »Ach … sehr witzig« und knallte den Hörer auf die Gabel. Brynjolf hüpfte vom Fensterbrett, breitete die Flügel aus und segelte im Gleitflug davon, um darüber nachzudenken, was es als nächstes für ihn zu tun gab.
    Sehr verzwickt, das Ganze, sagte er sich und wetzte den Schnabel an einem flachen Stein, um seinen Gedanken auf die Sprünge zu helfen. Die Verwandlung in eine andere Körperform war jedoch eine rein äußerliche Erscheinung, und so gab er das Schnabelwetzen schnell wieder auf. Die Helden zu befreien, wäre an sich kein Problem; das konnten sie sogar leicht selbst erledigen. Aber sie dort unauffällig herauszubekommen, um kein weiteres Aufsehen zu erregen, würde sehr viel schwieriger werden. Er ging seine geistige Bibliothek nach entsprechenden Präzedenzfällen für Helden durch – Heldenrettung durch einen plötzlichen Sturm, einen zufällig vorbeikommenden Drachen oder göttliches Eingreifen –, aber irgendeine innere Eingebung sagte ihm, daß solche Effekte das Gegenteil bewirken könnten. Als Alternative bot sich die Geschichte mit dem falschen Kurier an, aber die erforderte eine gewisse Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten, damit sie gelang. Zudem hatte er keine Ahnung, von wem die blaugekleideten Männer ihre Befehle erhielten, wie ihre Befehlshaber aussahen und welche Freund-Feind-Kennung man benötigte. Er hatte schon fast beschlossen, sich in den Zellenschlüssel zu verwandeln und es auf diese Art zu erledigen, als ihm die Lösung einfiel, auf die er eigentlich als erstes hätte kommen müssen: die Sache mit der doppelten Verwirrung oder der ›Drei-Trolle-Trick‹.
    Zuerst verwandelte er sich in eine Fliege und krabbelte durch das Schlüsselloch der Hintertür ins Innere des Gebäudes. Einmal drinnen, schwirrte er aufmerksam durch die Räume, bis er die Zelle gefunden hatte, in der die Gefangenen festgehalten wurden. Es war eine kleine Zelle, und sie schienen sich alle äußerst unwohl zu fühlen. Brynjolf drehte eine zweite Runde und zählte die blaugekleideten Männer. Es waren nur drei; genau die richtige Anzahl.
    Der Drei-Trolle-Trick, der so heißt, weil Trolle immer darauf hereinfallen, ist im Grunde genommen sehr einfach. Der Verwandler wartet, bis einer der Wärter nach den Gefangenen sieht. Dann verwandelt er sich in das genaue Ebenbild von einem der beiden zurückgebliebenen Wärter, geht dem ersten Wärter hinterher, behauptet, Anweisungen von einer höheren Stelle erhalten zu haben, und läßt die Gefangenen frei, die zusehen, daß sie schleunigst wegkommen. Anschließend verschwindet er und überläßt es den anderen Wärtern, den Irrtum zu bemerken und denjenigen zusammenzustauchen, der ihrer Vermutung nach seine Pflicht verletzt hat. Zu Brynjolfs Zeiten hätte der vermeintliche Verräter nicht lange genug gelebt, um das Mißverständnis aufklären zu können. Obwohl sich die Sitten und Bräuche im Lauf der Jahre drastisch verändert hatten, rechnete Brynjolf dennoch damit, daß man den Fehler einem Irrtum in der Verwaltung zuschreiben und somit geheimhalten würde. Er machte sich an die Arbeit, und wie gewöhnlich funktionierte das System tadellos. Der große Wärter gab ihm seinen Zellenschlüssel, die Tür schwang auf, und die ziemlich mürrisch dreinblickenden Helden marschierten heraus.
    Was Brynjolf übersehen hatte, war die Tatsache, daß

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