Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
überlassen. Wenn man nicht gerade auf Brennnessel-Salat oder Löwenzahn-Gemüse steht, ist mit einer nahrhaften Ernte nicht mehr zu rechnen, es sei denn, man sammelt die zahlreichen Nacktschnecken und serviert sie als Appetithäppchen in Essig und Öl.
Dass wir an jeder Ecke etwas zu essen bekommen, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Fachleute, die für die Erntesicherheit sorgen, sorgen gleichzeitig auch für die Grundlage unserer Zivilisation. Die Agrartechnik schuf die Voraussetzung dafür, dass die meisten Menschen heute einen Beruf außerhalb der Landwirtschaft ergreifen können und sich nicht mehr wie früher als Knechte und Mägde verdingen müssen, so wie noch vor wenigen Generationen ihre Vorfahren. Ohne Ernteüberschüsse gäbe es nicht einmal die Schulpflicht. Die Sommerferien sind keine Erfindung der Tourismusindustrie, sie sollten es schon den Abc-Schützen ermöglichen, zumindest während der Erntezeit ihren angestammten Arbeitsplatz auf dem Feld wieder ganztags einzunehmen.
In Deutschland gab es seit Jahrzehnten keinen Nahrungsmangel mehr, weshalb uns das Verständnis für die Leistung Borlaugs und seiner zahllosen Kollegen verlorengegangen ist. Diejenigen, die diese Entwicklungen auf den Äckern dieser Welt beobachten und Strategien gegen Schädlinge erarbeiten, sorgen dafür, dass wir beim Bäcker jeden Morgen Brot, Brötchen oder Kuchen bekommen. Die Züchter und die Entwickler von Pflanzenschutzstrategien sind gewissermaßen die Feuerwehr der Nahrungsmittelproduktion. Nur weil wir die vielen Brände und die Löscharbeiten nicht sehen, glauben viele, es handele sich um unnützes oder gar schädliches Tun.
Das Zündeln mit dem Zünsler
Einen Boom erlebt derzeit der Mais. Jahrzehntelang nur als Viehfutter verwendet, bedient er nun die überall aus dem Boden sprießenden Biogasanlagen. Auch den Mais haben einige süße Krabbeltierchen zum Fressen gern. Bisher diskutiert die Öffentlichkeit nur über den Maiszünsler – ein Falter, der sich bereits flächendeckend verbreitet hat. Laut Julius-Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Quedlinburg, verursacht er einen jährlichen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe. Eine effektive Bekämpfungsmethode fehlt bislang. 14
Doch schon naht mit dem Maiswurzelbohrer der nächste Plagegeist. 1995 wurden die ersten Käfer in Ungarn gesichtet. Mittlerweile sind sie auch in Deutschland angekommen. Das war absehbar, auch wenn das Verbreitungsmuster kaum kalkulierbar war: Mancherorts rückte der Käfer einfach über die Felder und Straßen vor, andere Exemplare nahmen offenbar den Flieger. Diverse Einwanderungswellen gingen von den Flughäfen in Paris, Brüssel, Amsterdam und London aus. 12
Mit Quarantäne lässt sich sein Vormarsch allenfalls verzögern. Da sich die chemische Bekämpfung aufgrund seines Treibens im Erdreich schwierig gestaltet, wurde das Saatgut vorsorglich mit einem Insektenvernichtungsmittel behandelt, um den Wurzelraum zu erreichen. Das brachte jedoch nicht nur den Bohrer um die Ecke, sondern spielte auch der Bienenwelt übel mit. Erdstaub mit Insektengift gelangte vom Acker auf Blütenpflanzen. In der Folge wurden in Südwestdeutschland rund 11000 Bienenvölker ruiniert. 21 Natürlich gibt es Maissorten, die gegen Maiswurzelbohrer und Maiszünsler resistent sind – dank Gentechnik. Sie dürfen bei uns aber nicht angebaut werden.
Immerhin – ein Gutes haben die Zünsler und Bohrer: Sie erfordern die Einhaltung von Fruchtfolgen – mit dreijährigem Verzicht auf Mais. Solange wir Mais nur für Futterzwecke anbauen, kann man deshalb auf Genmais verzichten. Für die Biogasanlagen, die auf Maismonokulturen in unmittelbarer Nähe rund um die Anlage angewiesen sind, dürften schwere Zeiten anbrechen. Muss man den Mais von weit her ankarren, wird das nicht nur teurer, es bringt auch die ganze Ökobilanz ins Wanken. Außerdem stellen die Monokulturen eine Gefahr für die Gesundheit dar. Denn wenn man Jahr für Jahr auf Mais wieder Mais pflanzt, bekommen schädliche Schimmelpilze Oberwasser, namentlich die Fusarien. 3 Sie gelten als die «Ratten der Äcker», die auch andere Kulturpflanzen infizieren. Fusarien produzieren massenhaft Schimmelpilzgifte, die eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Nutzvieh darstellen.
Allerdings – und das soll hier nicht verschwiegen werden – wirkt der verbotene Genmais sehr effektiv gegen den Pilzbefall. Einfach deshalb, weil er nicht nur Bohrer und Zünsler
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