Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
den Garaus macht, sondern auch den Blattläusen, den Hauptüberträgern der Fusarien. Die Belastung mit Schimmelgift sinkt dadurch um den Faktor zehn. 2 Eigentlich war das von den Gentechnologen gar nicht beabsichtigt; es ist gewissermaßen eine Nebenwirkung, eines dieser berühmten «unbekannten Risiken». Oder diesmal besser: ein echter Glücksfall! Biogasanlagen, die auf Mais angewiesen sind, erfordern über kurz oder lang den Einsatz von Genmais, wenn Umwelt und Gesundheit geschützt werden sollen. Diese Kröte wird unsere Öko-Bewegung, die uns die Biogasanlagen eingebrockt hat, noch schlucken müssen.
Künstliche Gene aus dem Atomreaktor
Gelingt einem Erreger ein evolutionärer Durchbruch, ist Gefahr im Verzug. Auf großen Flächen mit einheitlichen Sorten finden Krankheitserreger und Schädlinge einen reich gedeckten Tisch. Die Evolution steht nicht still. Jeder züchterische Erfolg ist nur ein Erfolg auf Zeit. Irgendwann – und das kann, wenn es dumm läuft, schon morgen sein – wird die Abwehr der Pflanze und all ihrer Verwandten mit dem gleichen Abwehrsystem von der Natur geknackt. Wer hier mit der klassischen Kreuzung arbeitet, hat einen steinigen Weg vor sich. Denn viele unserer Nutzpflanzen brauchen eine ganze Vegetationsperiode, bis ihr Saatgut reif ist, und können erst im Jahr darauf erneut geprüft oder vermehrt werden. Aus diesem banalen Grund haben die Züchter schon vor der Gentechnik effizientere Methoden als das Kreuzen entwickelt: die wichtigste traditionelle Methode ist die Mutationszüchtung.
Eine Mutation ist eine Veränderung im Erbgut, die zufällig auftritt. Auslöser können natürliche Radioaktivität, Virusinfekte oder kosmische Strahlung sein. Aber auch Kopierfehler an der Erbsubstanz kommen vor. Ursache sind häufig erbgutschädigende Substanzen. In den allermeisten Fällen schaden diese Mutationen dem Lebewesen, nur in seltenen Fällen kommt es zu einer Veränderung, die aus Sicht der Pflanze oder des Züchters von Vorteil ist. Solche spontanen Mutationen sind jedoch zu selten, um mit ihrer Hilfe eine effiziente Zucht aufzubauen. Deshalb kam man auf die Idee, der Natur auf die Sprünge zu helfen: Mit Röntgen-, Laser- und Gamma-Kanonen rückt man seither dem Saatgut zu Leibe. Daneben spielen auch erbgutschädigende Chemikalien wie Nitrosoverbindungen oder Colchizin eine gewisse Rolle, vor allem, wenn man den Chromosomensatz der Pflanze verdoppeln will, um die Früchte zu vergrößern. Erste Veröffentlichungen über solche Verfahren gab es bereits im Jahr 1928. 26,27
Die wichtigste Methode ist bis heute eine Behandlung im Atomkraftwerk. Dabei wird das Saatgut unmittelbar der Strahlung des Reaktors ausgesetzt. Die Bestrahlung zerstört vorhandene Gene und schüttelt – grob gesagt – neue Gensequenzen aus der so erzeugten «Buchstabensuppe» zusammen. Genau genommen handelt es sich dabei um künstliche Gene, die es vorher so nicht gegeben hat. Häufig wird das Saatgut sogar mehrfach bestrahlt. Damit lassen sich viel weitreichendere Veränderungen am Genom erzielen, als es die Gentechnik erlauben würde. 30
Diese Technik wird bei uns schon seit den 1960er Jahren angewandt. In diesem Zusammenhang erzählte der ehemalige Leiter des Instituts für Lebensmittelchemie der Uni Hamburg, Hans Steinhart, wie er als Werkstudent mit Getreideproben der Bayerischen Landesanstalt für Pflanzenbau in der Satteltasche zum Forschungsreaktor Garching radelte und die Proben dort bestrahlen ließ. Das mutierte Saatgut wurde dann im Bayerischen Wald ausgesät, um seine Überlebensfähigkeit unter rauen Umweltbedingungen zu testen. Anschließend wurden die Pflanzen, die eine womöglich nützliche Veränderung aufwiesen, vermehrt und später in vorhandene Sorten eingekreuzt. 29
Da die meisten der dabei zufällig entstandenen Mutationen sinnlos sind, viele sogar schädlich und nur ein verschwindend geringer Anteil vorteilhaft ist, muss man hektarweise bestrahltes Saatgut aussäen und dann aus einem Meer von unterschiedlichen Pflanzen ein paar «positiv» veränderte heraussuchen, um mit dieser Technik erfolgreich zu sein. Die übrigbleibenden unbrauchbaren Mutanten werden einfach untergepflügt. 30 Damit gleicht diese Methode einem Lottospiel, für das man Millionen von Tippscheinen ausfüllt, um die Chancen auf einen Sechser zu erhöhen.
Man sät also genetisch verändertes Saatgut aus, von dem kein Mensch weiß, was da wirklich im Genom passiert ist. Stopp – ist das nicht genau das, was die
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