Wer heimlich küsst, dem glaubt man nicht (German Edition)
waren Quahogs . Ich habe dir gesagt, dass du den Artikel nicht schreiben sollst. Ich habe dir gesagt, dass die Leute …«
Er brachte mich mit erhobener Hand zum Schweigen. »Spar dir deinen Atem, Katie, das habe ich alles schon beim ersten Mal verstanden. Ich werfe dir nicht vor, dass du dich entschieden hast, dich von mir zu distanzieren. Du hast getan, was du tun musstest, um in dieser Stadt zu überleben. Hier regieren die Quahogs. Das habe ich begriffen.«
Gar nichts hatte er begriffen. Ich konnte es zwar kaum glauben, aber so war es. Tommy Sullivan hatte keine Ahnung, wie ich es geschafft hatte, zu verhindern, dass ich mit ihm zusammen in den Sumpf der Verachtung gesogen wurde, nachdem sein Artikel in der Schülerzeitung erschienen war. Er hatte keine Ahnung, was ich getan hatte, um meine Freunde – und für mich damals noch wichtiger: Seth Turner – davon zu überzeugen, dass Tommy Sullivan und ich weit davon entfernt waren, jemals Freunde gewesen zu sein.
Er wusste es nicht, und deshalb machte er mir auch keine Vorwürfe.
Wie viele Nächte hatte ich wach gelegen und immer und immer wieder darüber nachgegrübelt, was ich getan – oder um genau zu sein – nicht getan hatte?
Aber okay, umso besser. Er hatte keine Ahnung und ich würde es ihm garantiert nicht auf die Nase binden. Es stimmt zwar, dass ich eine Lügnerin bin und dazu wahrscheinlich auch noch leicht nymphoman (eine ziemlich fatale Kombination), aber dumm bin ich nicht.
»Wenn du das verstanden hast«, sagte ich. »Warum um alles in der Welt willst du dann hier in diese Stadt zurückkehren, Tommy?«
Er lächelte. Es war ein nettes Lächeln. Die Art von Lächeln, die ich früher oft auf seinem Gesicht gesehen hatte, wenn wir bei ihm zu Hause am Küchentisch gesessen, Erdnussbutterkekse gegessen und gemeinsam für die Schule gelernt hatten.
»Das wirst du früher oder später schon noch herausfinden«, sagte er immer noch lächelnd. »Vielleicht.«
Ich starrte ihn an. Irgendetwas an dem, was er gerade gesagt hatte, gefiel mir nicht.
»Du bildest dir doch wohl nicht ernsthaft ein, dass du nächste Woche in die Eastport Highschool hereinspaziert kommen kannst und dort mit offenen Armen empfangen wirst?« Es war mein letzter Versuch, ihm klarzumachen, wie bescheuert seine Idee war. (Ganz ehrlich, ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihm jemand seine wohlgeformte Nase brach.)
»Wieso eigentlich nicht?«, sagte Tommy fröhlich. »Die Jungs haben doch längst ihren Abschluss gemacht.«
»Aber ihre jüngeren Geschwister sind noch an der Schule. Zum Beispiel Seth.«
»Glaubst du wirklich, dass der sich noch daran erinnert?«, fragte Tommy. »Seth hat kein besonders großes Gehirn. Ich weiß nicht, wie viel Platz darin für Erinnerungen an Dinge ist, die schon vier Jahre zurückliegen.«
»Haha, sehr witzig«, entgegnete ich. »Natürlich erinnert er sich.«
»Ich wäre mir da nicht so sicher«, sagte Tommy. »Ich werde nie vergessen, wie er die Tatsache, dass es im Schatten von Bäumen kühler ist als in der prallen Sonne, damit erklärt hat, dass sie über ihren Stamm kalte Luft absondern.«
Ich spürte, wie ich vor lauter Scham rot wurde. Ja, es stimmt, dass Seth nicht gerade einen nobelpreisverdächtigen Intellekt hat, aber …
»Da war er in der fünften Klasse!«, rief ich.
»Ja, eben«, sagte Tommy. »So was Dämliches haben wir beide nicht mal als Fünftklässler geglaubt. Sidney und Seth waren in der Beziehung immer schon ein bisschen … anders. Aber das weißt du besser als ich, schließlich bist du schon lange mit ihnen befreundet. Obwohl ich sagen muss, dass es der arme, naive Seth nicht verdient hat, ausgerechnet mit Eric Fluteley betrogen zu werden. Mal im Ernst Katie, hältst du das für eine Steigerung?«
»Ach, und du hältst dich wohl für den Allertollsten, was?«, rief ich, weil ich mich ertappt fühlte. Tommy hatte vollkommen recht: Ich nutzte Seths Naivität schamlos aus. Er vertraute mir blind. Deswegen hatte ich auch ein schlechtes Gewissen. Echt. Trotzdem musste ich so nicht mit mir reden lassen. »Bist du etwa auch noch stolz darauf, anderen Leuten hinterherzuspionieren?«
»Ich spioniere nicht, ich gehe nur mit offenen Augen durch die Welt und beobachte«, korrigierte Tommy mich. »Genau das ist die Aufgabe eines guten Journalisten, der ich hoffentlich einmal werde. Darf ich fragen, ob deine feindselige Reaktion ein Hinweis darauf ist, dass du auch zu denen gehören wirst, die mir nächste Woche in
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