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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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der anderen Seite. Zwischen Metallern und Teds in Hochwasserhosen, zwischen den Hertha-Fröschen und den 36er Boys aus Kreuzberg. Nicht zu vergessen die Gefechte zwischen den Hells Angels und den Bandidos, bei denen sogar Panzerfäuste und Stielhandgranaten aus dem Zweiten Weltkrieg zum Einsatz gekommen waren: das gute alte Westberlin, immer kreuzfidel und subventioniert bis zum Anschlag.
    All diese schönen, diese kostbaren Erinnerungen waren an einem frühen Nachmittag wiedergekommen, ausgelöst vom Kohlenmonoxidgeruch verbrannter Braunkohle, der zufällig und wetterbedingt durch die schlecht isolierten Doppelfenster hereingedrungen war.
    Van Harms Erinnerungsvermögen wäre sicherlich weiter vorgedrungen, tiefer in die Kindheit hinein, um die vielen Details zu bergen, die sie erst sinnlich machten, bunt und wiedererkennbar, hätte ihm nicht der Rotwein vom Discounter täglich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach zwei Gläsern begann sich seine Stirn zu umwölken, ein dumpfer Druck, der nach einem weiteren Glas den gesamten Schädel betäubte, der einem die Lider schwer machte und den Willen paralysierte. Dieser verdammte Rotwein war alles andere als eine unerwartete Nische des Genusses in einer Sphäre des Geldmangels und des schlechten Geschmacks. Er kam aus der Neuen Welt, typisch, aus Kalifornien, wie van Harm, irgendwann genervt, nachlas. Er hieß Zinfandel, und nach einem ganzen Monat dumpfen Kopfschmerzes in der neuen Wohnung beschloss van Harm, darauf zu verzichten, sich durch die anderen gold-, silber-und bronzeprämierten Sorten des unübersichtlichen Discounterregals zu testen. Stattdessen stieg er auf ein Pilsner Bier aus heimischer, Ostberliner Produktion um. Was auf den großen Beifall seiner duftenden Nachbarin Peggy stieß, als er ihr davon erzählte. Nachdem sie geklingelt hatte, um sich das Viertel einer Salatgurke zu leihen, die sie später zu einer vitalisierenden Maske für ihre gestresste Gesichtshaut zerschreddern wollte.
    Und weil sie schon mal da war, wie sie sagte, würde sie auch gleich noch eines von den nagelneuen Bierchen mit rübernehmen. Damit ihr die Zeit nicht lang würde, mit all den Gemüseschnipseln im Gesicht.
    Van Harm war es nur recht. Er pfiff sogar leicht vor sich hin, als er mit quietschenden Pantoffeln in die Küche schlurfte, um ihr die Flasche eisgekühlten Biers aus dem Tiefkühlfach zu holen. Denn irgendwie war Peggys phänomenale Laune ansteckend. Ob man das nun wollte oder nicht.
    Im sonnigen Süden Neuköllns trugen die alteingesessenen Eckkneipen Namen wie Burgstube oder Zum dicken Paule , die moderneren, in den achtziger Jahren gegründeten, hießen Klappsmühle oder Halli Galli .
    Wenn der sozialpragmatische Bezirksbürgermeister im Fernsehen über seine Kommune und deren Schäfchen sprach, in Interviews und Talkshows, tat er dies immer mit einem kaum merklichen Ausdruck der Verachtung um den Mund. Bevor er dann weit ausholte und seinen Bezirk einen Problemkiez nannte und bis aufs Zehntelprozent all jene Zahlen herunterratterte, die sowieso niemand auf die Schnelle auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen konnte. Erstens: Anteil der Sozialfürsorgeempfänger, der Schulabbrecher und Analphabeten an der Gesamtbevölkerung. Plus: Zahl der kriminellen Delikte pro hundert Einwohner. Zweitens: Anteil der Ausländer unter den Sozialfürsorgeempfängern, Analphabeten, Schulabbrechern und Gewohnheitskriminellen.
    Wobei der Bürgermeister nicht »Sozial fürsorge « sagte, sondern »-transfer«. Vermutlich, weil es ruchloser klang.
    Er redete von der allgemeinen Verwahrlosung, von Graffitis, niedergetrampelten Beeten, von wildem Sperrmüll an den Straßenrändern und den Millionen von Hunden, für die nicht mal die reguläre Steuer abgeführt werde, obwohl sie wahre Kackmaschinen seien, die pro Tag so und so viel Tonnen an Exkrementen absonderten. Was so und so viele Prozente mehr Kot wären als noch vor zehn Jahren. Er warnte vor den bandenmäßig organisierten Großfamilien südländischer Herkunft, die jenseits des Gesetzes ihr eigenes Recht durchsetzten und schon so und so viel Prozente des Klein-und Einzelhandels der Sonnenallee kontrollierten. In deren Einflussbereich sich schon lange keine Polizeistreife mehr hineinwagte. Was kein Wunder sei bei der Kürzung von deren Mitteln um so und so viele Millionen Euro. Allein im letzten Jahr. So und so viele Prozente mehr seien das allein in einem einzigen Quartal als über den gesamten Zeitraum des Jahres so und so

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