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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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kann, wenn mir der Sinn nach Natur steht oder nach frischer Luft.«
    » Wat sagst du da?«, schrie Peggy schrill auf, »und damit kommste erst jetzt um die Ecke, Herr Kai? Ick würde töten für ein Haus uff dem Land. Aber echt mal jetze.«
    Noch fünfmal ging an diesem späten Juniabend das Licht im Treppenflur an und aus, dann hatten sie sich geeinigt, am Freitagnachmittag, wenn Peggy aus der Praxis kam, aufs Land zu fahren, und dort bis zum Sonntagabend zu bleiben. Praktischerweise verfügte Peggy über einen roten Opel Corsa, Kais Aufgabe bestand lediglich darin, bis zur Abfahrt ein paar Lebensmittel und Getränke zu besorgen.
    Als seine Nachbarin gegangen war, leicht aufgekratzt, wie ihm schien, fühlte sich Kai van Harm schon viel besser: Zum ersten Mal seit Langem hatte er ein Ziel vor Augen, das verlockend war. Außerdem beschloss er, Peggy, wenn sie das nächste Mal klingelte, um sich etwas zu borgen, in seine Wohnung zu bitten.
    »Haben Sie noch Verwandte in der Stadt?«, fragte van Harm, als sie am späten Freitagnachmittag planmäßig im Corsa saßen, drei prallgefüllte Discounter-Tüten auf der Rückbank, und ostwärts fuhren, wo es schon zu dämmern begann. Im Westen dagegen versank gerade die Sonne und ließ die Hochhäuser zu beiden Seiten der Landsberger Allee in blutorangefarbenem Licht schimmern. Es sah fast aus, als würden sie brennen.
    »Klaro«, sagte Peggy, »meine Mutter und dann noch meine Halbschwester. Die is acht.«
    »Und die leben wo genau in der Stadt?«
    »Na jenau hier«, sagte Peggy und deutete vage in das Häusermeer von Marzahn, das sie gerade durchquerten und wo sich die Betonwellen meterhoch türmten.
    »Was denn, in der Platte ?«
    »Na klar, wo denn sonst.«
    »Oh«, sagte van Harm und wusste nicht weiter.
    »Keen Grund zur Panik!« Peggy sah ihn mit einem kurzen Seitenblick belustigt an. »Ick hab’s ja ooch überlebt. Und soll ick dir mal wat sagen? Meine Mutter jeht sojar arbeiten.«
    »Äh, ich bin gar nicht arbeitslos«, sagte van Harm schnell, weil er nicht wusste, ob ihre Bemerkung auf seine Arbeitslosigkeit anspielte, »ich nehme mir nur eine Auszeit. Ein Sabbatical .« Er überlegte kurz, ob er auch Peggy die Geschichte mit dem Buch auftischen sollte, ließ es dann aber bleiben.
    » Wat nimmst du?«
    »Ein Sabbatical .«
    »Ist dit ansteckend?«, fragte Peggy, »oder wat mit Satan?«
    Ein paar Minuten später hörten die Plattenbauten einfach auf. Das Ortsausgangsschild zeigte das Ende von Berlin an, und ohne Übergang befanden sie sich sofort in der brandenburgischen Steppe, über die sanft der warme Provinzwind des Juniabends strich. Felder, die sich bis zum Horizont dehnten, ab und zu ein Gehöft, eine Pappelreihe, ein Drainagegraben. Das vergehende Licht im Rücken fuhren sie ins Dunkle voran, und als das Navigationsgerät, das Peggy sich extra für die Fahrt geborgt hatte, sagte, sie müssten nach rechts auf die A 10 biegen, bogen sie nach rechts auf die A 10. Wenig später sagte die Stimme, sie müssten nach links auf die Bundesstraße 1 einbiegen, und sie taten auch das. Jeder kleine Straßenschlenker, jede mickrige Dorfkreuzung wurde auf diese Weise anmoderiert, und recht schnell machte der monotone Singsang der Navigationsstimme van Harm schläfrig. Er war sowieso noch ganz erschöpft von den Lebensmitteleinkäufen. Und von der Konversation mit Peggy natürlich. Weil er sich nicht traute, sie zu duzen, zum Beispiel, und weil er Angst hatte vor ihren Augenbrauen. Und vor allem, weil er noch schnell zwei Whisky gekippt hatte, oben in seiner Wohnung, bevor sie losgefahren waren.
    Van Harm wachte erst wieder auf, als der Corsa über das brutale Kopfsteinpflaster des Feldweges bretterte, der Altwassmuth mit Zirnsheim verband, wo sein Bauernhaus stand. Jeder Kopfstein war in Wirklichkeit so groß wie ein Elefantenschädel, und alle waren sie offensichtlich in Eile und unangespitzt in die Erde gerammt worden, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, als man den Feldweg ausgebaut hatte, ohne Planierraupen und Rüttelmaschinen oder wie immer die Dinger hießen, mit denen man eine Straße glatt machte. Und deshalb hob jetzt der Corsa, dessen Geschwindigkeit Peggy gar nicht erst zu bremsen gedachte, alle paar Meter ab, um kurz darauf unsanft wieder aufzukommen. Die Federung von Constanzes Volvo hatte da einiges vom Straßenbaupfusch der Vorfahren kaschieren können.
    »Noch zwei Kilometer, Herr Nachbar«, rief Peggy und grinste, und dann hob der Wagen schon wieder ab, und

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