Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)
angedauert, bis Anfang diesen Monats der neue Jahrgang Künstlerstipendiaten aufgetaucht war, deren schillerndste Vertreterin eben jene Malerin war, deren Werke am heutigen Morgen mutmaßlich verbrannten.
»Tatjana Malenkova?«
»Bingo!«
»Nie zuvor gehört.«
»Eine jefälschte Russin.«
»Was Sie nicht sagen!«
»Spricht keinen Akzent, nüscht. Is lediglich aufgedonnert bis zum gettno und geschminkt wie ein Clown. Lange rote Locken, hundertprozentig jefärbt. Dass der Förster ausjerechnet auf so eine steht.«
»Tja, was soll man sagen.«
»Andererseits is sie jünger als die Frau Direktorin, und – wie soll ick’s ausdrücken – es ist auch mehr dran an ihr.«
»Wie?«
»Sie is nich so dürre.«
»Ach so.«
»Is schon janz apart, die Kleene.«
»Hm.«
»Aber jefälscht bleibt jefälscht«, wechselte Bruno Zabel abrupt den Tonfall, »ick bezweifle sogar, dass sie ne richtje Künstlerin is. Im Internet hab ick nich viel jefunden. Winzige Ausstellungen in winzigen Galerien. Könnte ooch Hobby sein, das mit ihre Malerei.«
» Sie haben Internet?«
»Na wat denken Sie denn, wo wir hier sind? Uffm Mond?«
»Verzeihung.«
»Ejal. Aber merken Sie, worauf ick mit mein Jequatsche hinauswill?«
»Äh … Nein, vielleicht auf den Förster?«
»Herrjemine, wie kommen Sie denn da drauf? Natürlich nicht . Uff dit Motiv !«
»Was denn für ein Motiv?«
»Na, dit Motiv für die Brandstiftung natürlich!«
Kai hatte das Gefühl, Bruno sehe ihn an, wie um seine Reaktion auf die letzten Worte zu prüfen.
Schnell stand er auf: »Ich muss dann mal. Die Arbeit ruft, Sie wissen ja.«
»Uff einmal so eilig?«, fragte Bruno und kniff kurz die Augen zusammen, was seinen Blick noch stechender machte. Dann grinste er breit, als habe er einen Scherz gemacht und sagte: »Ick bring Sie noch zur Tür.«
Erst an der Garderobe im Flur, als Kai van Harm im Reflex nach seinem Mantel greifen wollte, fiel ihm wieder ein, dass er ja noch immer in seinen Joggingsachen steckte. Er zog schnell die Hand zurück und streckte sie aus Verlegenheit Bruno Zabel entgegen. Der schlug ein und drückte herzhaft zu. »Man sieht sich, wa?«
»Auf Wiedersehen.« Van Harm hielt dem Blick Brunos abermals nicht stand. Er senkte die Augen und entdeckte Interessantes: Unter der Garderobe stand ein geflochtener Bastkorb. Er enthielt mehrere Feuerzeuge, Streichholzschachteln und vier Pakete Kohlenanzünder, von denen eines angebrochen war.
Die Bedrückung, die er die ganze Zeit über in Bruno Zabels Behausung empfunden hatte, fiel endlich von ihm ab, als er draußen auf der Straße stand und die frische Luft einatmete, die nur ein wenig noch nach Dung roch, und den blauen Himmel über seinem Kopf sah und die Störche, die ihn hin und wieder durchquerten. Er lief los, und erst als er zweihundert Meter entfernt war, drehte er sich noch einmal nach Zabels Haus um, eine Kate eher – einstöckig, schiefe Fallrohre, Moos auf dem Dach – mit dreckigen Fensterscheiben, hinter deren einer sich jetzt eine Gardine kurz bewegte.
Van Harm wendete sich hastig ab und begann zügig, die Dorfstraße von Vieracker in Angriff zu nehmen. Er fragte sich, wie Bruno es geschafft hatte, ihn in sein Haus zu bringen, ohnmächtig, wie er gewesen war, doch er kam zum Glück nicht mehr dazu, sich irgendwelche Details auszumalen, denn schon nach wenigen Schritten tauchte die qualmende Ruine der ehemaligen Kirche und nunmehr auch ehemaligen Ausstellungshalle vor ihm auf. Das Dach war vollständig abgebrannt, die Mauern vom Ruß geschwärzt.
Wie ein Blitz schoss van Harm die Erinnerung an jenen frostigen Wintermorgen ins Gedächtnis, als er vor den qualmenden Trümmern seines Büros gestanden hatte.
Die Löschfahrzeuge der Feuerwehr waren schon abgezogen. Am Straßenrand standen ein paar zivile Fahrzeuge mit Frankfurter Nummern, mit denen vermutlich die Brandexperten aus der Stadt gekommen waren. Das Beweissicherungsteam, oder wie immer die hießen, die nach einem gelöschten Brand nach seiner Ursache fahndeten. Einige Gaffer, die eher aussahen wie beschäftigungslose Dörfler als die Insassen des Künstlerhauses, standen hinter den Schlangen aus rot-weißen Absperrbändern, beobachteten die Feuergutachter bei der Arbeit und hielten ansonsten Maulaffen feil.
Als van Harm versehentlich den Blick eines der Gaffer auffing, fiel er trotz seiner verkrampften Waden und der schmerzenden Schienbeine automatisch in einen leichten Trab: Irgendwie musste er seinen seltsamen
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