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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximo Duncker
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stank weit weniger als gestern noch, und im Grunde konnten auch die Tauben nichts dafür, dass man sie für dreckige Vögel hielt, für fliegende Ratten. Und weil das Wetter schön war, beschloss van Harm, einen Spaziergang in sein altes Viertel zu machen, und als er dann vor dem Haus stand, in dem Constanze und er doch so lange gut miteinander ausgekommen waren, packten ihn doch tatsächlich Wehmut und die Sehnsucht nach den alten Zeiten. Er drehte sich schnell weg.
    Er erstand auf dem Wochenmarkt am Kanalufer zwei Flaschen deutschen Rieslings, die er sich eigentlich nicht leisten konnte, und machte sich damit auf den Weg in jene karge, ja geradezu schäbig eingerichtete Wohnung, von der er mit einem Mal wusste, dass sie nie so etwas wie ein Zuhause für ihn werden würde.
    Um kurz nach sechs am Abend klingelte es an der Wohnungstür.
    »Ick hab’s rumpeln hörn in der Wohnung und wollte mal kieken, ob alles okay ist«, sagte Peggy und strahlte ihn an. Sie duftete wie ein frischer Pfirsich, ihre stachelige Kurzhaarfrisur saß perfekt, wie mit Lineal und Zirkel ausgerichtet.
    »Es ist alles in Ordnung, ich bin nur über das Altglas gestolpert.«
    »Jedenfalls, schön, dass de wieder da bist, Herr van Harm«, sagte Peggy und öffnete ihre Arme zur Begrüßung. Und dann drückten sie sich für ein paar Sekunden, und Kai fragte, ob sie nicht draußen etwas essen gehen wollten, und wenig später saßen sie im kleinen Vorgarten eines indischen Restaurants, aßen Currys und tranken Bier unter den aufgespannten Lampionketten, und Kai van Harm erzählte Peggy all die seltsamen Geschichten, die er aus dem märkischen Oderland mitgebracht hatte, in der all die seltsamen Typen mitspielten, die es hier gar nicht gab. Oder die unsichtbar blieben, falls sie doch existierten, weil sie die Masse verschluckte.
    Peggy hörte mit staunenden Augen zu und sagte manchmal Sachen wie: »Gibt’s doch gar nicht« oder »Is ja irre«, und als sie sich kurz nach eins, fröhlich beide und angeheitert, im Treppenflur verabschiedeten, nahm Kai seiner Nachbarin das Versprechen ab, ihn, wenn ihre familiären Probleme aus der Welt geschafft waren, doch unbedingt noch einmal auf dem Land besuchen zu kommen, damit er ihr Bruno Zabel, Frau Wurst, den Nazi-Wirt und alle anderen vorstellen könne.
    »Die Gören pariern janz prächtich«, sagte Bruno und klang dabei sehr zufrieden, als sich Kai am nächsten Morgen telefonisch nach dem allgemeinen Befinden in Zirnsheim erkundigte und gleichzeitig seine Ankunft für den Nachmittag annoncierte.
    »Und sonst so? Allet paletti mit die Reportage?«, fragte Bruno.
    »Alles bestens«, sagte Kai und nahm sich fest vor, in den kommenden Tagen wirklich mit der Arbeit an seinem Werk über das Oderbruch zu beginnen. Schon allein aus dem Grund, um nicht dauernd lügen zu müssen. »Wir sehen uns dann am Bahnhof. Und, Bruno, ganz herzlichen Dank für all deine Mühe.«
    »Papperlapapp«, sagte Bruno und legte auf.
    Schon auf dem Bahnhof am Alexanderplatz waren ihm die Gestalten aufgefallen, dreißig, vielleicht vierzig Personen. Sie standen in locker zusammengewürfelten Gruppen auf demselben Bahnsteig wie van Harm, hatten, wenn überhaupt, nur leichtes Gepäck in Form von Rucksäcken dabei, und sie ähnelten auf eine verblüffende Weise den Männern von Winfried Jagodas Privatarmee. Denn sie trugen fast alle Schwarz. Schwarze Hosen, wegen der sommerlichen Temperaturen manchmal nur bis zu den Knien gehend, schwarze T-Shirts, schwarze Windjacken und Kapuzenpullover. Sie hatten schwarze Baseballkappen auf dem Kopf und schwarze Sonnenbrillen im Gesicht. Auch bei dieser Truppe kam die dunkle Farbe in diversen Abstufungen vor und dennoch wirkte auch sie uniformiert, stärker sogar als Jagodas Bürgerwehr, da sie ausnahmslos jung waren, Anfang bis Mitte zwanzig, schätzte van Harm, und keine Bierbäuche mit sich herumschleppten, wie viele der Altwassmuther Heimatschützer, und auch keine Gummistiefel trugen, die diese ein bisschen wie die Knallchargen aus einer Slapstickaufführung wirken ließen. Die schwarz gekleideten jungen Männer und Frauen auf dem Bahnsteig trugen stattdessen die verschiedensten Modelle teurer Markenturnschuhe an den Füßen: drei Streifen, ein hingewischter Schnörkel, eine Raubkatze im Sprung, ein großer Buchstabe, der im Alphabet auf das »M« folgte. Das verlieh ihrem durchaus bedrohlichen Schwarz etwas Sportliches. Allerdings schienen sie ohnehin ausnahmslos entspannt zu sein, plauderten,

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