Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)
hinüber, der aber keine Anstalten machte, etwas zu sagen, sondern stattdessen auf den Notebook-Bildschirm sah und zu lesen schien, und ab und zu mit spitzem Zeigefinger auf das Touchpad tippte.
» Bruno , unsere Fragen!«, drängte Kai.
»Kommen sofort«, sagte Bruno. »Erstens: Was habt ihr mit den Altwassmuther Jugendlichen Karol Dommasch, Sohn des Bürgermeisters und Gymnasiast, sowie Felix Jagoda, Sohn des Winfried Jagoda und gleichfalls Gymnasiast, zu tun? Dass ihr mit denen bekannt seid, war auf der Versammlung im Deutschen Haus nicht zu übersehen. Unsere Frage lautet also: Wie weit geht diese Freundschaft? Zweitens: Ist euch eine Rock-Formation namens, äh …«
»… eine so genannte Black-Metal-Band namens Satanic Moshrooms …«, half Kai seinem neuen Duz-Freund aus der Englisch-Patsche.
»… bekannt«, fuhr Bruno nahtlos fort, »und könnt ihr etwas zum Inhalt der Texte sowie zur politischen Einstellung der an dieser musikalischen Unternehmung Beteiligten sagen? Und drittens und letztens: besitzt eine oder einer von euch T-Shirts einer Schwarz-Metall-Combo namens …«
»… Burzum …«
»… Bruzzum , genau.«
Für ein paar Sekunden herrschte absolute Stille in der Küche, man hörte nur den Wasserhahn tropfen, den eines der Kinder mal wieder nicht fest genug zugedreht hatte.
Dann endlich ließ Janne verlauten: »Ich sag dazu nichts!«
»Ich auch nicht«, sagte Erik.
»Gut, wie ihr wollt. Aber das wird Konsequenzen haben«, entgegnete Kai, ruhig diesmal, aber mit einem drohenden Unterton in der Stimme, den er noch nie gegen seine Kinder eingesetzt hatte. »Macht euch auf was gefasst in den nächsten Tagen. Denn eines garantiere ich euch, die werdet ihr so schnell nicht vergessen.«
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!
»Spreche ich da mit Herrn van Harm? Herrn Kai van Harm?« Die weibliche Stimme klang dunkel, rau gemacht von starken Alkoholika und Zigaretten. Er kannte niemanden, der so sprach. Vielleicht war es ja die Klassenlehrerin von Janne oder die von Erik. Denen war Kai auch noch nie begegnet. Vielleicht hagelte es ja die nächste Beschwerde über seine wild gewordenen Blagen, die im Moment, unter Brunos fachmännischer Aufsicht, hoffentlich ihr fahrlässiges Verhalten von gestern und ihre Verstocktheit von heute Vormittag in der Scheune abarbeiteten, während er selbst, Kai, einmal mehr so tat, als schreibe er an dieser unheimlich bedeutungsvollen Reportage über diese wahnsinnig unterschätzte Gegend namens Oderbruch.
»Kommt darauf an, wer da spricht«, sagte van Harm. Und natürlich fiel ihm selber sofort auf, dass es sich dabei nicht gerade um die beste der möglichen Erwiderungen handelte.
»Ja oder Nein?«
»Je-jein?« Das war nicht mal witzig gemeint und darüber hinaus sehr vorsichtig vorgebracht. Van Harm hatte einfach riesige Angst vor einer weiteren schlechten Nachricht. Nur deshalb redete er jetzt dummes, kindisches Zeug.
»Okay, wenn Sie nicht anders wollen: Machen Sie jetzt mal schön die Ohren auf. Hier spricht die Agentur für Arbeit Neukölln. Und falls Sie Herr Kai van Harm sind, einer unserer Kunden, dann finden Sie sich bitte morgen früh um 8 Uhr dreißig in der Agentur ein. Und zwar im Zimmer sechshundertsiebenundsechzig. Die Angelegenheit ist dringend und duldet keinen Aufschub. Mögliche Konsequenzen, die sich aus einem Fernbleiben ergeben, werden Sie ganz alleine tragen und mit voller Härte zu spüren bekommen. Falls Sie dagegen nicht Herr van Harm sind«, und hier wurde die Stimme auf eine hämische, gekünstelte Art plötzlich weich, »dann bitte ich Sie vielmals um Entschuldigung und wünsche Ihnen noch einen recht schönen Tag.«
»Das ist ja schon morgen«, versuchte van Harm sich zu empören, aber statt der frechen, rauen Frauenstimme antwortete ihm nur ein lang gezogener Piepton.
Was hätte Kai nur ohne Bruno angefangen? Der bot sich nicht nur an, auf die Kinder aufzupassen und deswegen für zwei Tage ins van Harm’sche Haus umzusiedeln. Er schwang sich auch auf sein Rad, nachdem Kai ihm von dem dringenden Termin erzählt hatte, fuhr die zwei Kilometer nach Vieracker zurück und stand keine Stunde später mit seinem Wagen wieder vor der Tür, um Kai zum Bahnhof in die Kreisstadt zu chauffieren.
Als Bruno dann am Bahnsteig stand und dem Zug noch kurz hinterherwinkte, schämte sich Kai ein bisschen, dass er nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Dass er zwar den Termin erwähnt hatte und dessen Dringlichkeit, auch die korrekte Uhrzeit,
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