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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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immer, sodass er meint, die zarten Bande zu seinem früheren Leben stärken zu müssen. Was dabei herauskommt, ist nicht immer toll.
    Ich erinnere mich noch gut an die Wohnmobiltour vor zehn Jahren über den Brenner, Gardasee, Venedig, die Adriaküste entlang bis runter nach Kalabrien. Wichtige Orte meines Vaters in zwei Wochen , hätte der Titel für den Trip in seine italienische Vergangenheit sein können. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wie er mich dazu gebracht hat mitzukommen. Schon nach zwei Tagen konnte ich seine Geschichten von früher nicht mehr hören. Wer mit wem wie verwandt ist, wo er als Kind gespielt und später studiert hat, was damals dieser Cousin zu jener Tante gesagt hat. Es war erschöpfend, in jeder Hinsicht.
    Allerdings soll man auch nie glauben, dass Freunde keine eigenen Interessen hätten.
    »Ich will mit deinen heißen Cousins am Tisch sitzen«, erklärt Marie.
    »Gibt es eine dreistöckige Torte?«, fragt Verena mit großen Augen.
    »Sag bitte, dass Kinder nicht erwünscht sind. Dann kann ich den Kleinen das ganze Wochenende bei meinen Eltern parken und muss ihn nicht permanent bei Laune halten«, sagt Anna hoffnungsvoll.
    »Kein Problem, Mädels. Jeder soll Spaß haben bei der Hochzeit! Ich hab auch schon überlegt, dass ihr drei als meine Brautjungfern identische Kleider tragen solltet«, erzähle ich betont ernst. »Lachsrosa oder Mauve würden mir gut gefallen.«
    »Haha. Wenn wir befürchten müssten, dass du das ernst meinst, wären wir nicht mit dir befreundet.«
    »Na gut, kein Lachsrosa. Eitergelb?«
    »Was hast du dir denn wirklich vorgestellt für die Hochzeit? Wie groß soll es werden?«
    »Etwa hundert Leute. Mark hat ja nicht viel Familie, aber ich dafür umso mehr. Und, Marie, ich befürchte, Barnie wird sein Trauzeuge sein.«
    »Hervorragend. Vielleicht kann ich ihm unauffällig Rotwein überkippen. Nein, im Ernst, mach dir keine Sorgen. Deine Cousins werden mich schon ablenken«, sagt Marie und zwinkert mir zu. »Wer wird dein Trauzeuge?«
    »Ich werde meinen Bruder bitten. Auf die Weise kann er sich nicht aus der Affäre stehlen und nur für zwei Stündchen vorbeischauen. Wie ich ihn kenne, wäre ihm das am liebsten. Nur nicht zu viel Familienanschluss.«
    »Und was für ein Kleid willst du tragen?«
    »Tja, keine Ahnung. Ein weißes?«
    »Kauf bloß kein weißes Kleid«, sagt Anna. »Nimm einen Creme- oder Champagnerton. Sonst siehst sogar du mit deinem italienischen Teint aus wie eine Wasserleiche.«
    »Ihr kommt doch hoffentlich mit, oder? Ich geh auf keinen Fall mit meiner Mutter das Brautkleid kaufen. Die wäre zwar begeistert, aber am Ende würde sie mich in irgendetwas Glitzerndes mit einem gehäkelten Jäckchen darüber reinquetschen.«
    »Was hast du gegen Glitzer?«, fragt Marie empört.
    »Ach, ich weiß nicht. Es sollte halt nicht zu verspielt sein.«
    »Wir reden von einer Hochzeit! Zu verspielt gibt es da kaum. Es gibt nur zu peinlich. Zum Beispiel Einladungen in Reimform und Spiele, bei denen du und Mark mit von euren Hintern baumelnden Stiften in Flaschen zielen müsst.« Verena schüttelt düster den Kopf. Sie hat Verwandtschaft im Allgäu und in puncto Hochzeiten schon einiges erlebt.
    »Untersteht euch! Spiele sind verboten auf der Hochzeit.«
    »Hat Mark irgendwelche Pläne?«
    »Nein, keine Pläne. Er hat gesagt, ich soll alles entscheiden.«
    »Auf den Bräutigam!«
    Mark
    Barnie ist ein gebrochener Mann, jedenfalls wirkt er so. Dabei war er immer derjenige, der den Takt vorgab, der wusste, wo’s lang geht, der Frauen aufriss, von denen man gedacht hätte, die stehen nur auf Frauen oder Fußballprofis. Schon im Internat war er mein Held. Ich werde nie vergessen, wie er mich damals auf seiner Bude aufgenommen hat. Er stand da in seinem braunen Winnetou-Schlafanzug, dass du glaubst, er sei der wahre Häuptling der Apachen. Nun sitzt er auf seinem grellgelben Designersofa in seinem fast unmöblierten Loft und wippt unruhig mit den Füßen. In einer Hand hält er eine Whiskeyflasche, mit der anderen kratzt er sich ständig am Kopf oder fährt sich über den Mund oder kaut an den Nägeln. Im Moment könnte er Abwrackprämie kassieren, so fertig wie er wirkt. Von Haltung und Würde fehlen jede Spur.
    Am liebsten würde ich ihn zum Psychologen schicken, aber außer Barnie kenne ich keinen. Ich weiß nicht mal, ob Psychologen zum Psychologen gehen. Wäre vielleicht nicht dumm bei dem ganzen Elend, das sie sich von frühmorgens bis

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