Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
umarmen. »Sehr gern«, schiebe ich hinterher, als ich den Kloß im Hals einigermaßen verdaut habe. »Aber ich wollte dich auch was fragen.«
»Schieß los!«
In dieser Sekunde schießen die Bayern ihr zweites Tor. Wir springen auf, recken die Arme in die Höhe, fallen uns dann wieder in selbige und führen ein kleines Freudentänzchen auf. Als wir uns nach einer Weile wieder beruhigt haben, blicken wir in vier Augen, die uns sorgenvoll anstarren.
»Hallo, Schatz«, sage ich und lächle entschuldigend.
»Hallo, Lilly«, stottert Barnie und lächelt ebenfalls.
Luisa
Zwei Dinge entsetzen mich an dieser Situation. Punkt eins: Mein Zukünftiger führt sich wegen eines Fußballspiels auf wie ein Schimpanse, dem man eine Jahresration Bananen überreicht. Punkt zwei: Lilly hat einen Schlüssel. Sie hat einen Schlüssel zu Barnies Junggesellenwohnung. Das ist so dermaßen abgefahren, dass meine Gedanken die ganze Zeit nur darum kreisen. Sie hat einen Schlüssel. Sie hat einen Schlüssel. Bei Barnie dürfen Frauen nicht mal ihre Zahnbürste im Bad lassen, geschweige denn unangemeldet vorbeikommen. Und diese Lilly hat sogar einen Schlüssel!
Außerdem finde ich die Frau einschüchternd. Wir haben uns vor der Haustür getroffen und sind gemeinsam in den Aufzug gestiegen. Lilly trug einen cremefarbenen Mantel und schicke braune Stiefel und sah aus wie der Prototyp einer Karrierefrau. Ich habe sie natürlich für eine Nachbarin gehalten – schließlich hatte sie einen Schlüssel , um das noch mal zu erwähnen. Aber dann steuerten wir zielstrebig auf die gleiche Wohnungstür zu.
»Ich bin übrigens Luisa«, sagte ich.
»Oh, hallo! Lilly«, erwiderte sie. Dabei reichte sie mir eine perfekt manikürte Hand und lächelte ein Zahnpastawerbelächeln.
»Ach, du bist das«, meinte ich lahm und schaute fassungslos zu, wie sie die Wohnungstür aufschloss. Von drinnen hörten wir schon Urwaldgeräusche. Und jetzt stehe ich neben Lilly in Barnies fußballfeldgroßem Wohnzimmer und fühle mich wie eine alte Erdkundelehrerin, die im Landschulheim in die Party platzt.
Mark kommt auf mich zu und gibt mir einen Kuss. Dann gibt er Lilly die Hand. Barnie bleibt wie festgeklebt stehen und lächelt Lilly an. Im Fernsehen wird das Spiel abgepfiffen, aber Barnie bemerkt das nicht einmal. Eigentlich wurde ich ja hierherzitiert, um ihn zu trösten. Aber er sieht nicht gerade unglücklich aus.
»Ich wollte Mark abholen«, erkläre ich schnell. »Morgen muss ich früh raus, und es war ein langer Abend …«
»Okay«, gibt Barnie sofort grünes Licht.
Moment. Da stimmt was nicht. Sonst stellt sich Barnie immer total kindisch an, wenn ich ihm abends seinen Spielkameraden entführe. Sieht aus, als hätte er Ersatz gefunden.
»Hast du das bemerkt?«, fragt Mark im Auto. »Wir waren total überflüssig!«
»Stimmt.«
»Und hat sie tatsächlich einen Wohnungsschlüssel?«
»Ja. Ich glaube, wir müssen ihn entmündigen lassen.«
»Och, wieso. Sie sieht doch ganz nett aus.«
»Mark, das ist lieb von dir. Sie sieht nicht ganz nett aus, sondern beängstigend gut. Aber ich finde es toll, dass du das nicht bemerkt hast.«
»Ich war so geblendet, weil du danebenstandest.«
»Schleimer. Mach weiter damit.«
»Schöne Haare. Warst du beim Friseur?«
»Okay, danke. Reicht schon wieder.«
Am nächsten Morgen erstelle ich eine Checkliste für die Hochzeit. Ich habe Elaine gebeten, keine Anrufe durchzustellen, weil ich an einem Konzept arbeiten müsse. Stimmt ja auch fast. Die Liste ist lang. Sehr lang.
Termin festlegen
Gästeliste zusammenstellen
Hotels für die Verwandtschaft anfragen
Save-the-Date-Karten verschicken
Kirche und Location für die Feier suchen
Flitterwochen buchen
Stilrichtung überlegen
Kleid und Schuhe kaufen
Musiker engagieren
Floristin suchen
Hochzeitstorte bestellen
Papierkram für das Standesamt auftreiben
Trauringe aussuchen
Geschenkwünsche formulieren
Einladungen verschicken
Friseurtermin machen
Sitzordnung festlegen
Ehegelübde und Fürbitten schreiben
Überprüfen, ob Mark noch da ist
Heiraten
Auweia! Nach ersten Berechnungen können wir ungefähr in zehn Jahren heiraten. Wie viel kostet eigentlich ein Weddingplaner? Egal, dazu würde ich Mark nie bekommen. Er hat zwar die Planung mir überlassen, aber ein professionell grinsender Hochzeitsplaner, der was von weißen Tauben erzählt, könnte unsere junge Liebe auf eine harte Probe stellen. Ich fange mit der einfachsten Maßnahme zur
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