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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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und winkt zum Abschied. »Tschüssi!«
    »Ja, tschüssi«, sage ich matt.
    Jede Familie hat so ihre Eigenheiten, aber meine ist wirklich die seltsamste von allen. Ich hoffe, Luisa weiß, worauf sie sich da einlässt. Immerhin heiraten ja nicht nur wir, sondern auch irgendwie unsere Familien. Ich bekomme große Angst, wenn ich mir vorstelle, dass Priska auf meine Mutter trifft, Carlo auf meinen Vater, Luisas Mutter auf Barnie und alle irgendwie aufeinander. Da prallen Welten zusammen, höchst unterschiedliche Welten. Wer weiß, wen meine Mutter anschleppt. Als wir das letzte Mal kurz telefoniert haben, war sie wohl gerade mit einem wahnsinnig talentierten, wahnsinnig jungen Regisseur zusammen, den sie quasi nebenbei ein bisschen protegierte. Noch weiß Anette nichts von unserer Hochzeit. Vielleicht sollten wir es dabei belassen. Um des lieben Friedens auf Erden willen. Nicht, dass es irgendwann in den Geschichtsbüchern heißt, der Dritte Weltkrieg sei auf meiner Hochzeit ausgebrochen, sprich: Kettenreaktion.
    Luisa und ich beschließen noch ein bisschen zu bleiben. Im Gegensatz zu Südtirol fühle ich mich am Starnberger See willkommen. Richard macht sogar eine kleine Führung durch die Nachbarschaft. »Ritschi! Wie schön!«, begrüßt ihn eine Oma herzlich mit zwei Bussis auf die Wangen. Sie trägt eine geblümte Schürze über dem Kleid.
    »Ich bin der Mark«, stelle ich mich vor.
    »Ich die Irmi.« Irmi ist begeisterte Pensionistin. Bis vor ein paar Jahren war sie Richterin am Familiengericht. Schon immer hatte sie einen grünen Daumen, sagt sie. Was läge da näher, als ein bisschen für den Eigenbedarf anzubauen? »Ich deale ja nicht.«
    »Und was ist das?«, will ich wissen, als sie meinem Vater eine gut gefüllte Plastiktüte in die Hand drückt, nachdem er einen Hunderter auf den Tisch gelegt hat. Ich spiele gerne mal den Spießer.
    »Nur für Familie und Freunde«, erklärt Irmi.
    Sie führt uns durch ihr kleines Kifferparadies hinterm Haus. »Die Pflanzen brauchen sehr viel Licht. Meine Stromrechnung möchtet ihr nicht sehen. Ich habe sogar schon Angebote aus Holland, um groß ins Geschäft einzusteigen.«
    »Aber?«
    »Ich habe genug Geld. Mein Mann war Unternehmer.«
    »Was ist eigentlich aus deiner Firma geworden?«, frage ich Richard. Ich kenne meinen Vater eigentlich nur streitend (mit meiner Mutter) oder arbeitend (in der Firma).
    »Habe ich vor vier Wochen verkauft.«
    »Einfach so?« Ich bin sprachlos.
    »Von heute auf morgen! War ganz einfach.«
    Am Abend machen wir es uns auf der Terrasse so gemütlich, wie es die ungemütlichen Stühle erlauben. Vater grillt Tofuwürstchen, die Zwillinge servieren Getränke. »Man trinkt jetzt Hugo«, erklärt Rebekka.
    Ich muss kurz an Carlo denken. »Was ist da eigentlich genau drin?«
    »Prosecco, eine halbe Limette, frische Minze, Holunderblütensirup, Eis.«
    Ich nippe. »Nicht übel«, lobe ich meine Schwester. Dann bitte ich Luisa, mir kurz ihr Handy zu geben.
    »Was hast du vor?«
    »Ich ruf nur schnell deine Mutter an. Wegen Carlo. Mir ist gerade noch was eingefallen.«
    Luisa kräuselt ihre Stirn, sagt aber nichts. Sie gibt mir das Handy.
    Ich gehe damit ein paar Schritte in den Garten und wähle Valentinas Nummer. Nur die Mailbox. Ich sage, wie wichtig es ist, dass Carlo wirklich sofort zum Arzt geht, und nenne ihr den Namen eines sehr guten Dermatologen. Sie sollen Grüße von mir ausrichten, dann bekommen sie schneller einen Termin. Falls das nicht funktioniere, solle sie unbedingt bei mir anrufen. »Es geht um Leben und Tod«, beende ich die Ansage ein wenig melodramatisch.
    »Und?« Luisa sieht mich aus großen Augen an, als ich zurück an die Tafel komme.
    »Nur die Mailbox.«
    »Was machst du eigentlich beruflich, Luisa?«, erstickt Priska jede weitere Nachfrage im Keim.
    »Ach, ich arbeite bei einer Kosmetikfirma.«
    »Und wie laufen die Geschäfte so?«, fragt Richard, ganz Geschäftsmann.
    »Gut«, meint Luisa. »Vielleicht werde ich demnächst befördert.«
    »Befördert?« Was habe ich verpasst? »Schön, dass ich das auch mal erfahre.«
    »Das ist ja auch alles noch gar nicht spruchreif, Mark.«
    Luisa
    Was ich Mark vorerst verschweige, ist ein winziges Detail der Beförderung: Wenn ich die Stelle tatsächlich bekomme, ist sie nicht in München. Sondern in Paris. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Mark im Ausland arbeiten will. Dieser ganze medizinische Fachjargon ist doch recht kompliziert, und er spricht nicht besonders gut

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