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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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Französisch. Welcher Patient geht schon zu einem Arzt, den er nicht versteht?
    Ich versuche gerade, die Sorge wegzuschieben, als Marks Handy klingelt. Barnies Gesicht erscheint auf dem Display.
    »Hallo, Barnie!«
    Obwohl ich ein Stück von Mark entfernt sitze, höre ich, wie laut und aufgeregt Barnie in den Hörer schreit. Ich verstehe die Worte »Krankenhaus« und »Baby«. Mark schaut sorgenvoll und hat schon den Autoschlüssel in der Hand. »Bleib, wo du bist. Wir fahren sofort los.«
    Als wir Barnie im Klinikflur auflesen, sieht er völlig fertig aus und faselt unentwegt etwas von Garnelen: »Die waren doch gegrillt!« Die Röhrenbeleuchtung schmeichelt nicht gerade seinem Teint, aber auch ohne Neonlicht sind die schwarzen Ringe unter Barnies Augen nicht zu übersehen. Ein ätzender Geruch steigt mir in die Nase. Eine besonders bizarre Mischung aus Fäulnis und Meister Proper.
    »Jetzt mal langsam, Kumpel. Was ist genau passiert?«
    Barnie starrt Mark an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Dann beginnt er zu erzählen. Lilly hatte offenbar plötzlich Lust auf Meeresfrüchte bekommen. Auf Meeresfrüchtesalat, um genau zu sein. Barnie hatte sie im Restaurant auf gegrillte Garnelen heruntergehandelt, weil so ein Salat in der Schwangerschaft schließlich gefährlich sein kann. Und jetzt liegt sie hier. Lebensmittelvergiftung, diagnostizieren die Ärzte. »Es ist meine Schuld. Wahrscheinlich wäre bei dem blöden Salat überhaupt nichts passiert!«
    »Es ist überhaupt nicht deine Schuld, Barnie. Du hast nur auf sie aufgepasst. Wenn die Garnelen schon schlecht waren, wäre der Salat sicher auch nicht keimfrei gewesen.«
    »Sie hat mich weggeschickt«, klagt Barnie. Seine roten Augen glänzen verdächtig.
    »Meinst du, ich darf zu ihr?«, frage ich vorsichtig.
    »Du schon, Luisa. Du hast sie ja nicht vergiftet.«
    Ich werfe Mark einen Blick zu und hoffe, er versteht ihn richtig: Beruhige den Mann irgendwie! Dann klopfe ich an Lillys Tür und schaue Mark hinterher, wie er seinen besten Freund zum Kaffeeautomaten schleift.
    Lilly sieht noch grässlicher aus als Barnie. Weiß wie die Wand. Neben ihrem Bett stehen eine Infusionsstange und ein Eimer, dessen Inhalt ich zu ignorieren versuche. Lilly streckt mir einen nassen Waschlappen entgegen. »Luisa. Kannst du den noch mal kalt machen?«
    Ihre Stimme klingt kratzig. Ich wasche den Lappen aus und lege ihn ihr auf Stirn und Augen. »Wie fühlst du dich?«
    »Mir ist so schlecht.«
    »Was macht das Baby?«
    »Wenn es könnte, würde es auch kotzen.«
    »Aber es ist gesund?«
    »Der Arzt sagt, ich hätte gleich alles so prima wieder von mir gegeben, das wäre genau richtig gewesen für den Kleinen.«
    »Das hast du gut gemacht«, lobe ich.
    »Ich werde nie wieder etwas essen. Vorhin habe ich einen Schluck Wasser getrunken, nicht mal der blieb drin. Deshalb haben sie mir diese Infusion gelegt.« Lilly zeigt auf die Kanüle in ihrem Arm.
    »Es sieht jedenfalls ziemlich spektakulär aus.«
    »Ich bin ein Volltrottel. Meeresfrüchte. Was habe ich mir nur dabei gedacht?«
    »Gelüste in der Schwangerschaft sollen ähnlich schwer bezwingbar sein wie Juckreiz. Solange du keine Weinbrandbohnen willst …«
    »O Gott, Weinbrandbohnen. Lass uns bitte von was anderem reden, mir kommt schon wieder die Galle hoch.«
    »Bist du sehr sauer auf Barnie?«, will ich vorsichtig wissen.
    Mit einer Hand hebt Lilly den Waschlappen von ihren Augen und schaut mich ungläubig an. »Machst du Witze?«
    »Er sagt, du hast ihn weggeschickt.«
    »Ich habe im Zweiminutenrhythmus gekotzt. Natürlich habe ich ihn weggeschickt. Es war widerlich.«
    »Das scheint er missverstanden zu haben.«
    Lilly legt den Waschlappen wieder auf ihre Stirn und grinst ein bisschen. »Ich hatte keine Zeit, ihm das zu erklären. Habe eher so etwas gesagt wie: ›Raus hier!‹ Und dann wieder losgewürgt.«
    »Das heißt, ich darf ihn jetzt wieder reinholen?«
    »Ja, bitte. Aber vielleicht könntest du vorher den Eimer verschwinden lassen.«
    »Du weißt schon, dass die Geburt eures Kindes auch ziemlich eklig wird, oder?«
    »Da mache ich mir keine Sorgen. Barnie wird nach fünf Minuten in Ohnmacht fallen und nicht mehr allzu viel mitbekommen.«
    »Ich sehe, du kennst ihn schon ganz gut.« Ich stelle den Eimer in die Dusche und habe gerade die Badezimmertür geschlossen, als es klopft. Unsere Männer stecken vorsichtig die Köpfe herein.
    »Hallo«, sagt Lilly und schafft ein kleines Lächeln.
    Sofort eilt Barnie auf sie zu.

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