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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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sein.
    Meine nächsten Telefonate gestalten sich noch schwieriger. Aber schließlich erklärt sich sogar Nonna bereit, sich am Abend von meiner Tante abholen und die zwanzig Minuten zu Salvo fahren zu lassen. Auch ein paar Cousinen und Cousins werden kommen. Nachdem ich Romina, die gute Seele des Hauses, auf fünfzehn hungrige Menschen am Abend vorbereitet und ihr meine Hilfe versprochen habe, gehe ich zum Pool. Er liegt auf der Rückseite des Hauses mit Blick auf einen Olivenhain. Mark hängt faul auf einem Liegestuhl herum. Als ich mich neben ihn setze, blinzelt er träge in die Sonne.
    »Da bist du ja wieder.«
    »Ja. Willst du nicht wissen, ob ich deinen Koffer gefunden habe?«
    »Eigentlich nicht. Ich habe beschlossen, den Rest meines Lebens in Salvos Badehose an diesem Pool zu verbringen.«
    »Und wenn sie dir irgendwann vom Leib fällt?«
    »Dann nackt.«
    »Soll ich deinen Koffer wieder zu den Japanern zurückbringen?«
    »Du hast ihn gefunden?« Mark dreht den Kopf und lächelt mich an. »Du bist die Beste! Lass mich dich küssen, aber danach muss ich weiterdösen.«
    »Okay, Faulpelz!«, lache ich und halte meinen Mund zum Kuss hin. Er schmeckt nach Chlor und Cola. »Aber am Abend wirst du dir etwas anziehen müssen. Ich habe ein paar Tanten und Cousins eingeladen.«
    »Auch die Nonna?«
    »Selbstverständlich.«
    »Dann schau ich besser, ob meine kugelsichere Weste noch im Koffer liegt.«
    Während ich Salat putze, weine ich mich an Rominas mächtigem Busen über meine gefährliche Großmutter aus. Sie wiegt zu meinen Klagen freundlich ihr graues Haupt.
    »Weißt du, Luisa«, sagt sie und deutet mit einem Küchenmesser auf mich, »wenn man sich vorher so viele Sorgen macht, ist es meistens gar nicht so schlimm.«
    »Wie meinen Sie das?« Romina duzt mich, ich sieze zurück. Seit hundert Jahren.
    »Sorgen lohnen sich nicht. Du wirst sehen, deine Nonna wird Mark mögen. Er sie wahrscheinlich nicht, aber da er dich heiraten will, muss er trotzdem so tun als ob.«
    Romina behält recht. Der Drachen rauscht pünktlich um acht ins Haus, gefolgt von meiner augenrollenden Tante Carla. Anstatt einer Begrüßung hält Nonna mir ihre Steppweste zum Aufhängen hin. Tante Carla umarmt mich lange und flüstert mir zu: »Ich dreh durch. Immer, wenn ich schneller gefahren bin als sechzig, hat sie angefangen, das Ave Maria zu beten.«
    »Jetzt seid ihr ja da«, wispere ich zurück und unterschlage das unwichtige Detail, dass es auch eine Rückfahrt geben wird. Im Dunkeln. Hoffentlich hat Nonna ihren Rosenkranz dabei.
    Mark erscheint mit einem Tablett voller Gläser im Türrahmen. Als Aperitif-Kellner ist er sehr niedlich. Aber Nonna scheint das anders zu sehen.
    »Luisa!«, plärrt sie. »Komm und nimm dem jungen Mann das Tablett ab.«
    »Gradisce un spumante?«, fragt Mark in schönstem Italienisch. Da hat sich jemand Mühe gegeben mit dem Wörterbuch. Nonna nimmt ihm ein Glas ab, ich das Tablett. Sie mustert ihn von oben bis unten. Er grinst sie ein bisschen hilflos an, wahrscheinlich weil er seinen einzigen auswendig gelernten Satz bereits gesagt hat. Und dann passiert das Unglaubliche: Nonna tätschelt Mark freundlich die Wangen. Hinter mir höre ich, wie jemand tief Luft holt. Auch Tante Carla scheint erleichtert zu sein.
    Nach und nach trudeln mehr Verwandte ein. Alle amüsieren sich bestens darüber, dass ausgerechnet wir Deutschen am falschen Wochenende angereist sind, und lachen noch mehr, als ich die Geschichte vom vertauschten Koffer erzähle.
    »Ihr solltet bald Kinder kriegen, damit die auf euch aufpassen können!«, ruft Salvo.
    »Wir arbeiten dran.«
    »Wo verbringt ihr eigentlich eure Flitterwochen?«, fragt Carla.
    »Malediven.«
    »La Svezia«, antwortet im gleichen Moment Mark, der schon ganz schön viel Italienisch versteht. Mit großen Augen schauen wir einander an.
    »Ich hoffe, ihr habt noch nicht gebucht«, meint Carla trocken und wendet sich ihrem Fisch zu.
    »Wir haben doch gesagt, wenn wir mal heiraten, fahren wir nach Stockholm in die Flitterwochen«, sagt Mark vorwurfsvoll.
    »Äh, ja, aber das war vor zwei Jahren, weil wir gerade eine Doku gesehen hatten. Danach haben wir nie wieder davon gesprochen.«
    »Ich habe mich aber darauf eingestellt.«
    Ächz. Seit zwei Jahren. Schwierig, einen alten Dampfer vom Kurs abzubringen. Ich setze mein verführerischstes Lächeln auf. »Könntest du dir nicht vorstellen, dich auf etwas anderes einzustellen? Weißt du, auf den Malediven …«, Kunstpause,

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