Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Luisa das Fitnesscenter nennt. Dank des Diätplans verliere ich Fett, und durch das Training auf der Power Plate baue ich Muskeln auf. Das Trainingsziel lautet: knackiger Hintern, weniger Bauch. Ich weiß natürlich, dass es ein weiter Weg ist vom Waschbär zum Waschbrett.
»Wie geht’s?«, fragt Werner, der im L22 der Chef ist, als ich mich in knielanger schwarzer Turnhose, schwarzem T-Shirt und roten Socken vor der Platte postiere.
»Man kommt so durch.« Was soll ich lügen? Mein Leben besteht im Moment aus Arbeit, Abnehmen und Rechnungen begleichen. Rechnungen für die Traumhochzeit. Luisa möchte nun vielleicht doch keinen DJ mehr, sondern eine Band, die angeblich mal mit Roger Cicero auf Tour war. »Ist das ein griechischer Philosoph?«, hatte ich mir erlaubt zu fragen. Ein großer Fehler.
Werner ist ein sehr sympathischer Mann Mitte fünfzig mit blondem, gut frisiertem Haar und aufrichtigem Lächeln. Er steht neben der Platte und gibt Anweisungen, wie ich bei welcher Übung das Bein oder die Hand zu halten habe. Wenn er gerade nichts auszusetzen hat, weil ich die Übung zufällig perfekt turne, erzählt er von seinem Hund, dem Leo, oder von seinem Schatzi, der Karin.
»Und wie laufen die Hochzeitsvorbereitungen?«, steckt er den Finger tief in die Wunde, als ich gerade an einen Ball gelehnt mit zwei Hanteln jongliere.
»Da bin ich der falsche Ansprechpartner«, keuche ich. »Heute so, morgen so, wie’s im Moment aussieht, keine Ahnung. Statt vier Gängen könnten es auch sechs sein. Statt des alten Mercedes eine Kutsche, gezogen von vier Schimmeln.«
»Tja.« Mein bereits mehrfach verheirateter Trainer zuckt mit den Schultern und lacht. »Wir haben’s nicht anders gewollt.«
»Du sprichst ein großes Wort gelassen aus.«
Weil sich Werner dann aber wieder der brünetten Schauspielerin und dem blonden Model auf den anderen Platten zuwenden muss, habe ich kurz Zeit, um durchzuschnaufen. Just in dem Moment klingelt mein Handy. »Herr von Denkwitz!«, begrüße ich Barnie.
»Wo steckst du?«
»In der Schüttelbude.«
»Ich muss dir unbedingt was zeigen.«
Keine dreißig Minuten später bin ich am Treffpunkt. Eine ruhige Seitenstraße im Stadtteil Obergiesing. Früher als Glasscherbenviertel verunglimpft, heute mächtig im Kommen. Ich parke auf dem Gehweg, sehe überraschend viel Grün und ganz wunderbare alte Häuser, die ich hier gar nicht vermutet hätte. Vor einem dieser Schmuckkästchen steht Barnie und winkt.
»Was gibt’s?«, will ich wissen.
»Das!« Barnie zeigt auf ein mit Efeu und wildem Wein umranktes zweistöckiges Haus, das man im mondänen Schwabing oder Bogenhausen als Villa bezeichnen würde, weil man in den sogenannten besseren Vierteln fast alles als Villa bezeichnet. In Giesing ist es, schätze ich, einfach nur ein Haus. Ein richtig schönes Haus. Es hat vier Dachgauben zur Straßenseite. Und verblasste rote Läden vor den Fenstern. »Dreihundert Quadratmeter Garten«, erklärt Barnie. Jetzt fällt bei mir der Groschen: Barnie will das Haus kaufen.
»Ist das nicht ein bisschen groß für dich?«, frage ich vorsichtig, als uns wenig später ein Makler durch den riesigen Kasten führt. Das Parkett ist hinüber, die Wände sind uneben. Von der Decke hängt Tapete, in einigen Räumen hat jemand eine Holzdecke eingezogen. Das Bad und die Küche im Erdgeschoss stammen noch aus den Sechzigern. Irre Farben.
»Absolut«, gesteht Barnie.
Ich brauche ein paar Minuten. Erst auf der Terrasse mit Blick auf den verwilderten, von außen uneinsehbaren Garten verstehe ich. »Du willst hier mit Lilly und dem Baby einziehen.« Ich klopfe Barnie auf die Schulter und bin fast ein wenig gerührt. »Mensch, Barnie.«
Der Makler sagt, wir sollten uns alles in Ruhe anschauen und überlegen. Wenn wir gehen, müssten wir nur die Haustüre zuziehen.
Barnie und ich genießen die Ruhe. Bis auf eine Grille und eine Amsel ist es absolut still. Wir nehmen auf zwei alten Holzstühlen auf der Terrasse Platz. Die Terrasse besteht ausschließlich aus gesprungenen Fliesen. Barnie zaubert eine Flasche Wein, zwei Pappbecher und zwei Zigarren aus einer Tüte. Mit einem Taschenmesser öffnet er die Flasche und schenkt uns ein. »Von der Tanke.« Dann nimmt er die Zigarren, schneidet mit dem Taschenmesser die Spitzen ab und reicht mir eine.
Montecristo. Ich bin begeistert.
»Nicht von der Tanke«, erklärt Barnie und fischt auch noch Streichhölzer aus der Tüte.
Wir rauchen schweigend und kosten gelegentlich vom
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