Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Wein. Ich schließe die Augen, genieße den Augenblick. So auf der Terrasse zu sitzen, könnte mir gefallen. Ist überhaupt nicht zu vergleichen mit dem kleinen Balkon, der an meiner Küche dranhängt. Ich stelle mir vor, wie Barnie hier im Sommer mit seiner Familie sitzt, den Grill anheizt, ein Bier trinkt. Davor muss er natürlich einiges am Haus machen. Das wird nicht billig, selbst für einen Freiherrn von Denkwitz. Und eigentlich ist es selbst für drei Personen noch viel zu groß, aber vielleicht planen Lilly und er ja eine Fußballmannschaft.
»Und?«, fragt Barnie nach einer Weile. »Bist du dabei?«
Ich verstehe nicht.
»Das Haus ist groß genug. Wir machen fifty-fifty. Wir links, ihr bekommt die rechte Hälfte. Den Garten teilen wir uns.«
Langsam wird mir klar, was Barnie will – Luisa und mich als Nachbarn. Ich brauche ein paar Sekunden, das zu verarbeiten. Ich bin begeistert. Das wäre ja: »Der Hammer!«
Mein bester Freund und ich fallen uns in die Arme. Unser Haus. Lilly, Barnie, der Kleine, Luisa und ich. Und irgendwann vielleicht auch unsere eigenen Kinder.
»Ich sollte das vielleicht vorher mit Luisa besprechen«, sage ich. »Du weißt ja …«
»Sie hat die Hosen an.«
Ich knipse mit dem Handy noch ein paar Fotos vom Garten und der Umgebung. Barnie erzählt, dass uns der Makler ein paar Tage Bedenkzeit gewährt. Angeblich habe er aber mehrere Interessenten für die Immobilie. Kein Wunder, das Haus ist ein Schnäppchen für hiesige Verhältnisse. Zwar renovierungsbedürftig, aber das Abenteuer sollten wir wagen. Ich bin ganz verliebt in das Haus, vor allem in die Ruhe und den Garten. Dort, wo Luisa und ich momentan wohnen, ist sehr viel Beton und Pflaster. Grün sieht man kaum.
Luisa wünscht sich ohnehin eine größere Wohnung mit Dachterrasse. Warum nicht gleich ein Haus mit Garten? Mit unseren besten Freunden. Am liebsten würde ich sofort zum Notar gehen und mit den Renovierungsarbeiten beginnen. Barnie und ich sind zwar nicht die talentiertesten Handwerker, aber es gibt ja auch Profis, die sich mit so was auskennen.
Als ich nach Hause komme, sitzt Luisa auf dem Balkon. Auf dem Tischchen stehen ein Glas gefüllt mit Weißwein und eine Kerze. Wir küssen uns. Luisa holt ein zweites Glas und schenkt mir ein. Der Wein duftet nach Melone, Apfel, etwas Vanille. Ich koste. Am Gaumen kommt Pfirsich hinzu, im Abgang noch mal Melone. »Chardonnay«, tippe ich.
Luisa nickt. »Woher?«
Ich nehme einen zweiten Schluck, lasse den Wein lange im Mund. Ich habe keine Ahnung. Ich bin Weintrinker, kein Sammler und schon gar kein Experte. »Südafrika?«
»Australien!«
Luisa hält mir ihr Glas hin. Wir stoßen an. »Auf uns!«
»Salute.«
Dann schweigen wir einen Moment, lauschen dem Autolärm von der Straße, dem Streit irgendeines Nachbarn, dem Fernseher aus dem Stockwerk über uns. Luisa schweigt nie ohne Grund. Es ist bei ihr das Sammeln vor dem großen Knall.
Mir dauert das zu lange. »Ich muss dir was sagen«, platze ich raus und lege schon mal vorsorglich das Handy mit den Hausbildern auf das Tischchen.
»Ich dir auch.« Luisa holt kurz Luft und lächelt mich dann mit ihren strahlenden Augen an. »Ich war heute beim Chef. Ich bekomme den Job. Vice President.«
»Wow!«, juble ich. »Das ist ja super.«
Wir springen fast gleichzeitig auf. Luisa drückt mich ganz fest an sich und küsst mich.
»Ich muss das gleich Papa erzählen. Erst wollte ich’s aber dir sagen.«
»Wie geht’s deinem Vater?«
»Gut.« Dann verfinstert sich plötzlich ihre Miene. »Einen Haken hat die Sache leider.« Luisa zögert. »Wir müssten umziehen … nach Paris.«
Ich sehe sie schweigend an.
»Was wolltest du mir sagen?«, wechselt meine Verlobte schnell das Thema.
Ich nehme mein Handy, schaue kurz aufs Display, blicke zu Luisa und stecke es wieder ein. »Ach, nicht so wichtig.«
Luisa
»Würdest du denn mitkommen nach Paris?«
»Tja.« Mark kratzt sich am Kopf. »Ich spreche leider kaum Französisch, aber ich könnte es vielleicht lernen.«
»Aber ich müsste bald gehen. Schon im Winter. So schnell wird das schwierig.«
Mark überlegt lange. »Dann würde ich erst mal pendeln. Vielleicht für ein halbes oder ganzes Jahr. Und dann zu dir kommen.«
»Du würdest deine Karriere am Ende wirklich aufgeben?«
»Na ja, alles andere würde ja keinen Sinn machen«, sagt Mark ernst. »Du dort, ich hier, so können wir auf Dauer nicht zusammen sein.«
Ich atme tief durch und blinzle ein paar Tränen weg.
Weitere Kostenlose Bücher