Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
verwirrt an und hat es plötzlich recht eilig, wieder an ihren Schreibtisch zu kommen.
»Danke, bestens«, antwortet Mike mit etwas gefrorenem Lächeln.
»Ich muss mit dir reden. Es geht um den Job in Paris.« Ich hole tief Luft. »Meinetwegen kannst du ihn haben.«
»Das ist wieder einer deiner Witze.«
»Nein, nein. Darüber würde ich keine Witze machen. Ich unterschreibe heute noch den Aufhebungsvertrag und bleibe hier, in meinem alten Job.«
Verwirrt schaut Mike mich an. »Warum solltest du das tun?«
»Ehrlich gesagt, aus Gründen, die du wissen solltest, bevor du den Job annimmst.« Ich zähle kurz die Katastrophen der letzten Wochen auf. Aber noch während ich rede, verklärt sich Mikes Blick immer mehr. »Mike? Hörst du mir überhaupt zu?«
»Ach, in Gedanken flaniere ich gerade über die Champs-Elysées.«
»Ich sehe schon, du hast dich bereits entschieden«, sage ich.
»Ja. Schon klar, Team blöd, Budget knapp. Aber ich will trotzdem da hin.«
»Du hast es wahrscheinlich immer mehr gewollt als ich.«
»Du hattest es trotzdem verdient«, sagt Mike großmütig.
»Danke.« Wir umarmen uns kurz und stehen dann ein bisschen unbeholfen da. Mike geht nach Paris, ich bleibe in München. Das fühlt sich ziemlich gut an.
Am Abend gehe ich mit Mark zu einem teuren Franzosen, um meine Rückkehr ins echte Leben zu feiern. Wir haben so viel Spaß wie lange nicht mehr. Ich erzähle von Jérômes Bachblüten, er von einer Patientin, die genau die Nase ihrer Tochter im Gesicht haben wollte. Die Tochter ist fünf Jahre alt. »Und dann habe ich ihr gesagt: ›Tut mir leid, Babynasen mache ich nicht. Sie sollten schon weiterhin Ihren ganzen Körper mit Sauerstoff versorgen können.‹ Das hat sie erst nach langen Erklärungen verstanden«, kichert Mark. In der Stille, die danach entsteht, schauen wir uns zufrieden über unsere Crèmes brûlées hinweg an. »Ich muss dir noch was erzählen«, bricht Mark schließlich das Schweigen.
»Noch mehr Enthüllungen?«, frage ich und lehne mich entspannt zurück.
»Du weißt doch, ich habe unsere Wohnung schon gekündigt.«
»Auweia. Das hatte ich total vergessen!« Entsetzt schaue ich ihn an. »Wir müssen das rückgängig machen. Oder eine neue Wohnung suchen.«
»Darüber wollte ich eben mit dir reden. Es gäbe da eine andere Möglichkeit. Was würdest du sagen, wenn wir mit Barnie und Lilly in eine riesige Jugendstil-Villa ziehen könnten?«
»Wie riesig?«, frage ich skeptisch.
»So riesig, dass wir ihr Baby kein einziges Mal schreien hören würden, weil wir weit entfernt von ihm schlafen könnten.«
»Das ist riesig.« Nachdenklich nippe ich an meinem Weinglas.
»Sie steht in Giesing, ziemlich grüne Straße, verwilderter Garten …«
»Seit wann gibt’s denn die Idee?«, unterbreche ich meinen Verlobten, der einen fast schon träumerischen Blick in seinen Augen hat.
»Ein paar Wochen.«
»Was? Warum weiß ich davon nichts?«
»Ich wollte es dir an dem Abend sagen, an dem du mir von der Beförderung erzählt hast. Aber dann wollte ich dir die Entscheidung nicht noch schwerer machen.«
»Oh.« Manchmal bin ich überrascht, wie sensibel Mark ist. Aber wenn ich ihm das sage, würde er es nicht als Kompliment verstehen. »Und wir würden zu fünft dort wohnen?«
»Erst mal, ja. Vielleicht werden wir ja bald mehr?« Mark schenkt mir sein charmantestes Lächeln.
»Das wäre schön. Unsere Kinder könnten zusammen spielen«, sinniere ich. »Im Garten. Ich wollte schon so lange einen Garten.«
»Möchtest du es dir anschauen?«
»Ja, unbedingt. Wann kann ich es sehen?«
Eine halbe Stunde später treffen wir Barnie und Lilly vor dem Haus, das wirklich riesig ist. Ich laufe durch die Räume und spähe in den Garten. »Dass man es von Grund auf renovieren muss, hast du mir aber verschwiegen«, sage ich zu Mark.
»Habe ich das? Ehrlich?« Unschuldig schaut er mich an.
»Och, renovieren? Findest du?«, wirft Lilly grinsend ein.
»Diese hässlichen Dachlatten an der Decke sind doch ausgesprochen gemütlich«, sekundiert Barnie. »Und keine Sorgen wegen der Kratzer im Parkett, da macht sowieso bald unser Kind mit dem Bobbycar richtig tiefe Furchen rein.«
»Genau, dann fallen die kleinen Kratzer gar nicht mehr auf«, sagt Lilly und tätschelt ihren Bauch.
Nachdem die drei sich ausgiebig beömmelt haben, schauen sie mich erwartungsvoll an. Jetzt muss ich wohl Farbe bekennen. »Ich habe ein paar Bedingungen«, fange ich an. Barnie stöhnt. »Klappe, Barnie.
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