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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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versammelten Kumpels: «Stellt euch vor, wir hieven die Alte auf die Trage, rein in den Sanka, und ich knöpfe ihren Mantel auf für die Erstversorgung – boah, ey, denk ich mir, bin ich besoffen, oder ist das Versteckte Kamera! Das Mädel hat nichts an unter ihrem Mantel!» Ungläubige, sabbernde Blicke der anderen. «Gar nichts?» – «Nö, ey, sach ich doch, nix, niente,nada, nullinger!» – «Und sah sie gut aus?», will ein Kumpel wissen und formt seine Hände zu Schalen, «Titten und so?» Bevor der Sanitäter mit roten Backen meine Anatomie beschreibt und den anderen der Sabber aus den Mundwinkeln tropft, unterbreche ich diesen Gedankengang und laufe spontan zur U-Bahn . Zwei Männer begegnen mir. Gucken die sonst auch immer so komisch, oder bilde ich mir das ein? Der Mantel geht bis über die Knie, sie können nichts sehen, Marie, beruhige ich mich. Dann die Treppe zur U-Bahn . Nächstes Problem. Die Leute, die von unten kommen, können mir bestimmt unter den Mantel gucken. In der Maillinger Straße gibt es keinen Lift. Also laufe ich zu Fuß die Nymphenburger Straße bis zum Stiglmeierplatz hinunter, dort gibt es Laufbänder, die sanft nach unten fahren. Ich schwitze jetzt schon. Mir zittern die Knie. Doch hinsetzen geht nicht. Im Stehen erscheint mir die Sache sicherer. Stunden später, so kommt es mir vor, erreiche ich endlich die StaBi. Ich eile die Gänge entlang (aber nicht zu schnell, ein Mantelknopf könnte aufgehen) und hole mein bestelltes Buch ab. Am Ausgabeschalter sitzt heute Stefan, die Sahneschnitte aus meinem Linguistik-Seminar. Alle Mädels aus dem Kurs haben ein Auge auf ihn geworfen. Er ist aber auch zum Anbeißen. Eins neunzig groß, H& M-Model -Typ, wuschelige Haare und ein sehr freches Grinsen. Ich weiß, dass er an seiner Doktorarbeit schreibt, schlau ist er also auch noch. Nicht zum Aushalten. Er wohnt in einer Altbauwohnung im Lehel, ich habe seine Adresse mal zufällig auf seinem Bibliotheksausweis gesehen. Auf dem Klingelschild steht nur sein Name. «Hi, Marie», sagt er und grinst sein Grinsen. Er kennt meinen Namen, wundere ich mich, da fährt er schon fort: «Hier ist dein Buch. Sag mal, hast du jetzt schon was vor? Ich habe hier Schluss und würde gerne einen Kaffee trinken – kommst du mit?» Ganz falscher Film, denke ich mir und kann es nicht fassen. Wie oft habe ich mir schon die langweiligen Diskussionen über die Semantik von Farbadjektiven damit versüßt, mir ein Kaffee-Date (allerdingseher à la «Kommst noch auf’n Kaffee mit rauf?») mit Stefan-Schneckerl vorzustellen. Und jetzt fragt er mich. Und ich stehe vor ihm, im Wintermantel mit nichts drunter als ein paar zwickenden Strümpfen in «taube». Mist, Mist, Mist. «Du, äh, tut mir Leid, aber ich   …» Ich was? Ich bin leider nackt unter meinem Mantel?? «Ich habe heute nichts   …» Marie, reiß dich zusammen! Er schaut schon ganz komisch, gleich wird er seinen Röntgenblick einschalten, und dann weiß er darüber Bescheid, dass du gerade der Teilzeithure aus der «Cosmopolitan» nacheiferst! «Ich habe heute nichts   … für Linguistik getan, und nächste Woche ist doch mein Referat   …» Super. Jetzt hält er dich zwar nicht für die Oberschlampe, aber stattdessen für die Oberstreberin. Was wohl besser ist? «Schade, dann ein andermal», meint der süße Stefan, grinst erneut und denkt sich seinen Teil, als ich hastig mein Buch schnappe (aber nicht zu hastig – die Knöpfe!), «Na, dann ciao» murmele und hochroten Kopfes die StaBi verlasse.
    Eine halbe Stunde später bin ich unfall- und skandalfrei wieder in meiner Wohnung. Mann, ist das anstrengend, eine verruchte Frau zu sein. Ich werde das noch üben müssen.

DONNERSTAG, 14.   NOVEMBER 2002 – WAS WILL ICH EIGENTLICH?
    Gestern traf ich mich mal wieder mit meinem guten Kumpel Simon. Er ist zwei Jahre jünger als ich, arbeitet für ein abgefahrenes Szenemagazin und hat derzeit das Problem, dass nur «ältere Frauen» auf ihn stehen. Für ihn sind das die 28- bis 3 6-Jährigen , na, danke recht schön, aber ich verzeihe ihm diese jugendliche Arroganz und höre mir lieber seine Geschichten an.
    «Weißt du, eigentlich mag ich sie ja auch, die älteren Frauen», sagt er, zieht an seiner Kippe und fährt fort: «Ich finde es sehranziehend, wenn eine Frau weiß, was sie will. Wenn sie nicht die Krise kriegt, weil sie Samstagabend mal nicht auf die Piste geht.»
    Ich überlege scharf, ob ich in letzter Zeit mal eine «Es-ist-Samstag-2 1-Uhr

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