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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
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Liebesgeschichte denken muss. Ich schluchze allerdings trocken, damit meine Wimperntusche da bleibt, wo ich sie aufgetragen habe. Als ich das bemerke, werde ich mir glatt selbst ein wenig unsympathisch. Ich bin eine hysterische, egozentrische und oberflächliche Großstadt-Zicke, wie sie kein GZS Z-Drehbuchschreiberling besser erfinden könnte. Aber das ist die Wahrheit, und die Wahrheit ist nicht immer schön.
    «Jetzt reicht’s aber, Marie», sage ich laut zu mir, als ich in die Herzogstraße einbiege, und schließe mit mir selbst einen Pakt: Wenn ich vor der WG sofort (okay, sagen wir nach fünf Minuten) einen Parkplatz bekomme, entzicke ich mich ohne schuldhaftes Zögern und bin wahnsinnig entspannt, gut gelaunt und umgänglich.
    Na also, geht doch. Der Parklückengott ist mir wieder hold. Extrem entspannt, blendend gelaunt und völlig umgänglich erklimmt die geläuterte Ex-Zicke Marie die vierzig Stufen zur WG und läutet dort mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
    Max öffnet mir die Tür. Max! Huch, mein Herz hüpft. Warum vergesse ich jedes Mal, wenn ich ihn länger nicht sehe, wie gut er aussieht? Oder anders gefragt: Warum kleidete er sich, als wir noch zusammen waren, in türkis-weiß geringelte XXL- T-Shirts und hellblaue Hochwasserjeans, verweigerte Friseurbesuche mit dem Argument «Rausgeschmissenes Geld bei meinen drei Haaren», schützte seinen Luxusleib vor jeglicher Sonneneinstrahlung und trug meistens diese abscheuliche Kassenbrille? Und warum sehe ich ihn jetzt, wo er nicht mehr mein ist, in schönen Jeans und einem schicken schwarzen Tom-Tailor-Langarm-Shirt vor mir stehen, mit diesen coolen kurzen Haaren, leicht gebräunt und mit kontaktlinsenbedingt freier Sicht auf seine schönen moosgrünen Augen? Stopp, Marie, Rückfall ins oberflächliche Klischeedenken! Ist ja gut. Aber fair ist das nicht.
     
    «Hey, Max!»
    «Marie, komm rein! Wir haben gerade noch den Balkon hergerichtet. Komm mit, was möchtest du trinken? Es dauert ein bisschen, wir müssen uns erst noch die Gartenerde unter den Fingernägeln hervorpulen.»
    Balkon hergerichtet? Nein, ich hadere jetzt nicht damit, dass der Balkon unserer damaligen gemeinsamen Wohnung von ihm penetrant als zweiter Keller benutzt wurde und man dort auch im Hochsommer mehr Bestandteile seines Ski-Equipments zählen konnte als Blüten von Balkonbegrünungsmaßnahmen. Das ist Vergangenheit, und ich bin wahnsinnig entspannt. Und gut gelaunt.
    Ein halbes Weißbier später kann ich tatsächlich relaxen. Der Balkon ist super, sogar ein Windlicht haben sie angebracht, die Jungs. Wow.
    Gegen 23   Uhr, ich bin beim zweiten Weißbier und noch viel entspannter, erreicht mich eine ungeduldige SMS von Vroni: «Hey, wo bleibt ihr? Bin schon total angeschickert!» Ich tippe zurück:«Kommen gleich. Die Jungs müssen sich noch waschen und umziehen. Werde mit Weißbier ruhig gestellt.»
     
    Kurz darauf treffe ich tatsächlich mit drei gewaschenen und umgezogenen Männern im Klenze 17 ein. Ich finde eine wie angekündigt ziemlich angeschickerte Vroni, eine kichernde Beate und eine beschwipste Marlene vor, die ihren Frust («Bäh, das Klenze mag ich nicht!») offensichtlich in ein paar Caipis ertränkt hat. Schöne Gesellschaft. Bin umgeben von Alkoholikerinnen. Die drei tragen orangefarbene Hawaii-Blumenketten, und Beate beleuchtet ihr Dekolleté mit einem fluoreszierenden, undefinierbaren Gegenstand. Ein glühender Kugelschreiber? Auch egal. Den Jungs gefällt’s.
    «Was ist denn hier los?», frage ich, als mir ein knackiger Promo-Typ mit grellorangener Perücke ein Röhrchen mit einer braunen Flüssigkeit in die Hand drückt und «Prost, schöne Frau!» ruft. Na gut, dann mal prost. Pfui Deifi. Jägermeister. Jetzt komme ich auch drauf. Heute Abend ist hier Jägermeister-Night. Würg. Der Promo nimmt mich in den Arm, und seine ebenso orange Kollegin macht ungefragt ein Polaroid von uns. Sie schiebt es in eine – natürlich orangefarbene – Hülle und überreicht es mir. Als das Bild sich entwickelt, erkenne ich darauf, dass ich mal wieder zum Friseur müsste, weil mein Haaransatz zweifelsfrei darüber Auskunft gibt, dass ich eine schlecht gefärbte Blondine bin. Bäh. Den Lidschatten hätte ich mir sparen können, denn dort, wo andere Menschen Augen haben, sieht man auf dem Foto nur zwei Schlitze. Nie wieder werde ich lachen, wenn man mich ablichtet! Ich schwör’s. Neben dem Bild hat der Typ ein Kästchen angekreuzt. «Flotter Käfer» steht da. Cool, ich bin

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