Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Göttlicher
Vom Netzwerk:
süßen Stefan (immer noch sitzt die Scham über die «Ohne-was-drunter»-Episode zu tief) und schreibe fleißig an meiner Magisterarbeit. Dazu lese ich zum mindestens zehnten Mal die depressiven Romane von Marlen Haushofer, verstehe immer wieder Bahnhof und habe dann wieder geniale Geistesblitze. Ich muss sagen, das Thema beginnt mir zu gefallen.Angenehmerweise kommen die Protagonistinnen aus Haushofers Romanen ebenso wenig mit der Spezies Mann zurecht wie ich. Sehr beruhigend. Immerhin ist aus ihr eine berühmte Schriftstellerin geworden, zumindest so berühmt, dass ich zur Erlangung des Grades der Magistra Artium ein 12 0-seitiges Werk über sie verfasse. Wenn das nicht unsterblich macht!
     
    Wenn ich nicht arbeite oder studiere, einkaufe, putze, jogge (ja, ich habe momentan eine extrem sportliche Phase!) oder gesunde Lebensmittel schonend zubereite, treffe ich mich mit meinen Freunden und führe ein lustiges Nachtleben. Die Mädels nehmen mir ab, dass ich trotz der ganzen Anstrengungen extrem gut drauf bin. Nur Vroni wirft mir manchmal einen dieser stummen Blicke von der Seite zu und umarmt mich bei Verabschiedungen ein bisschen länger und fester als sonst. Ich glaube, sie ahnt, dass es mir gar nicht gut geht. Aber ich kann nicht darüber reden. Wenn ich Männerprobleme bespreche, ist allein meine Redebereitschaft ein Zeichen dafür, dass die Lage nicht hoffnungslos ist. Als ich Vroni von jeder SMS, die Paul mir schrieb, berichtete und wir sie stundenlang hin und her interpretierten, selbst als ich fast verzweifelte, weil er sich nach unserem göttlichen Kuss ewig nicht meldete – immer war ich in meinem Inneren davon überzeugt, dass das nicht das Ende sein könnte und es irgendwie und irgendwann weitergehen würde mit Paul und mir. Jetzt allerdings spüre ich tief in mir, zwischen Lunge und Magen, ein kaltes, nagendes Gefühl, das mir sagt: Daraus wird nichts mehr. Dieses Gefühl schnürt mir die Kehle zu und macht mir solche Angst, dass ich es nicht zu nah an die Oberfläche kommen lassen darf. Ich muss es ignorieren, so lange es geht, bis es irgendwann von selbst verschwunden ist. Würde ich darüber sprechen, würde ich diesem unbestimmten, Angst einflößenden Gefühl einen Namen geben, und es würde Gestalt annehmen. Das darf nicht passieren. Denn dann könnte ich die Kontrolle verlieren.
    Trotzdem muss ich irgendwas unternehmen. Seit diesem unseligen Donnerstag, dem 16.   Januar, also seit zweieinhalb Wochen, habe ich kein Wort mehr von Paul gehört. «Bin in Wien und im Stress» war das letzte Lebenszeichen von ihm. Ich habe ihm ein paar SMS geschickt, von cool-belanglos («Hoffe, dir geht’s gut. Bin grad im P1 auf dem ‹No Angels At The Club›-Konzert, ist echt lustig») über trotzig-zornig («Na gut, dann halt nicht. Hätte dir allerdings mehr Stil zugetraut») bis sehnsüchtig-liebevoll («Ich würde dich so gerne mal wieder spüren. Auch wenn es momentan nicht geht – ich wollte es dir nur mal wieder sagen :-)»). Keine Reaktion. Irgendwann siegte mein Stolz über meine Finger, die so gerne SMS an Paul tippen, und ich ließ es bleiben. Stattdessen werde ich ihm einen Brief schreiben.
    Ich gebe «Lieber Paul» in mein Notebook ein. Und dann erst mal lange nichts. Gar nicht so einfach. Ich lösche «Lieber Paul». Und überlege. Da fällt mir eine Begebenheit aus meinem Teenageralter ein. Ich textete Sabine, meine beste Freundin, mit dem Kummer zu, den ihr Bruder Oliver mir bereitete. Er hatte auf dem Pausenhof nicht zu mir herübergegrinst. «Mensch, Marie, erzähl das deiner Parkuhr, aber lass mich in Ruhe!», rief Sabine damals, leicht genervt.
    Das ist
die
Idee.
    New Message
    To: Paul
    From: Parkuhr
    Mon, 3   Feb 2003, 17   :   33   :   21   MEZ
    Subject: News von Marie
     
    Lieber Paul,
    ich habe ein schlechtes Gewissen. Marie wird mich umbringen, wenn sie erfährt, dass ich geplaudert habe. Denn sie hat heute ihr Herz bei mir ausgeschüttet. Aber
ich denke, dass du wissen solltest, was sie mir erzählte. Hier ist es also.
    Liebe Grüße, deine Parkuhr
     
    ——
     
    Liebe Parkuhr,
    ich hoffe, ich habe genügend Kleingeld dabei, denn das hier könnte etwas länger dauern. Du musst wissen, ich kenne da seit über einem Jahr einen ganz tollen Mann. Am Anfang flirteten wir nur, ein Date kam nie zustande.
    Trotzdem ging er mir fortan nicht mehr aus dem Kopf. Ich verdrängte die Gedanken an ihn, doch ich vergaß ihn nie.
    Im Sommer letzten Jahres

Weitere Kostenlose Bücher