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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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zuhören.«
    »Estelle?« Er hob den Kopf von den Zahlen, die er gerade notierte, und schien leicht bestürzt – vielleicht weil Olivia ihn so ernst ansah.
    »Ist sie krank?«
    »Nein. Sie ist gesund – zumindest körperlich.« Er sah sie ausdruckslos an, denn er wußte nicht, worauf sie hinaus wollte. Olivia nutzte seine momentane Aufmerksamkeit und sprach schnell weiter. »Ich weiß, Onkel Josh, daß du in letzter Zeit viel zu tun hast, aber Estelle weiß es nicht. Sie hat das Gefühl, du beachtest sie nicht genug und ist überzeugt, daß du sie nicht mehr liebst.«
    »Wie bitte? Wie kommt sie denn um Himmels willen darauf?« Er sah Olivia verblüfft an.
    »Estelle glaubt es aber. Und ihren Kummer läßt sie an Tante Bridget aus, die am Ende ihrer Nerven ist. Ich glaube, du solltest dir die Zeit nehmen, um einmal in Ruhe mit ihr zu reden, Onkel Josh.«
    »Mit Bridget?«
    »Nein, mit Estelle. Sie will unbedingt in der Aufführung von ›Aschenputtel‹ auftreten. Ich weiß, Tante Bridget will es nicht erlauben, aber die Sache ist wirklich ganz harmlos. Vielleicht könntest du Tante Bridget überreden, Estelle ihren Willen zu lassen.« Sie holte tief Luft und beschrieb ihm ausführlich das Problem von beiden Seiten. Ihr Onkel hörte aufmerksam zu. Als sie fertig war, lehnte sie sich etwas zurück und wartete darauf, daß er etwas sagen würde, denn er schien über die Angelegenheit nachzudenken.
    Nach einer Weile hob er den Kopf. »Er hat uns eine Absage erteilt«, sagte Sir Joshua.
    »Was …« Olivia verstand den Gedankensprung nicht sofort. Dann seufzte sie und fragte: »Auf das Angebot?«
    »Ja. Er hat uns heute morgen seine Entscheidung offiziell mitgeteilt.«
    Arvind Singh hatte sich demnach dem Wunsch seines Freundes gebeugt! Olivia atmete erleichtert auf. Sie versuchte, ihre Freude zu verbergen, und fragte: »Wird das Konsortium das Angebot erhöhen?«
    »Das Konsortium!« Er schnaubte verächtlich. »Das ist doch nur ein Haufen Feiglinge, die Angst vor der eigenen Courage haben! Nein, das Konsortium wird das Angebot nicht erhöhen. Aber das ist nicht länger wichtig.« Er lächelte plötzlich. »Es gibt mehr als eine Möglichkeit, einen Affen zu fangen, Olivia, mehr als eine …«
    Es war sinnlos, ihn an Estelle und die Aufführung zu erinnern. Sir Joshuas Gedanken kreisten bereits wieder um andere Dinge – vielleicht hatte er ihr überhaupt nicht zugehört! Olivia mußte auf eine andere Gelegenheit warten, um dieses Thema noch einmal zur Sprache zu bringen. In seiner augenblicklichen Enttäuschung würde er vermutlich ohnehin kein Verständnis für die Theater-Aspirationen seiner Tochter haben.
    Ohne daß Olivia es ahnte, war es die zweitschlechteste Entscheidung ihres Lebens, in diesem Punkt nachzugeben. Die schlechteste sollte sie am nächsten Tag treffen.
    *
    Endlich, endlich war der Tag der rituellen Versenkungen gekommen!
    Estelle kam so spät abends nach Hause, daß Mutter und Tochter sich am Frühstückstisch heftig stritten, nachdem Sir Joshua ins Kontor gefahren war. Estelle verließ bald danach trotzig wieder das Haus, und das verhieß mit Sicherheit ein neues Unwetter beim Abendessen. Auf Olivia lasteten eigene ängstliche Erwartungen und ein beinahe unerträgliches Gefühl der Spannung. Am Vormittag las sie Sturmhöhe zu Ende, und am Nachmittag zwang sie sich, zu schlafen. Nach dem Tee machte Lady Bridget Besuche. Olivia spielte mit Clementine, dem in letzter Zeit sehr vernachlässigten Spaniel, dann ging sie in den Garten und jätete Unkraut. Sie dachte zum tausendsten Mal über den Fluchtweg nach und stöhnte ungeduldig, weil die Zeiger der Uhr stillzustehen schienen. Estelle kam zum Abendessen nicht nach Hause. Sir Joshua wurde das Essen wie seit einiger Zeit üblich in einem Picknickkorb ins Kontor gebracht. Lady Bridget schob in grimmigem Schweigen den kalten Braten auf dem Teller hin und her und kämpfte mit ihrem Ärger. Sobald es der Anstand erlaubte, verschwand Olivia in ihrem Zimmer, um sich für das nächtliche Abenteuer vorzubereiten. Endlich schlug die Uhr halb zwölf. Mit klopfendem Herzen saß Olivia auf dem Bett und wartete mit angehaltenem Atem. Sie hatte einen warmen Rock und Stiefel angezogen. Ihr Fuß wippte ungeduldig auf und ab. Sie ließ die Uhr nicht mehr aus den Augen. Lady Bridget schlief hoffentlich schon tief und fest. Sie hatte es schon lange aufgegeben, auf ihre Tochter und ihren Mann zu warten. Das Donnerwetter würde sich also erst am nächsten Morgen

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