Wer Liebe verspricht
wieviel von seiner Liebe!
Energisch drehte er sich zur Seite und stand auf. Er suchte seine Sachen zusammen und zog sie nachlässig an. Dann hob er behutsam ihre Kleidungsstücke auf, schüttelte sie, legte sie zusammen und brachte alles in einem ordentlichen Packen zu ihr. Einen Augenblick lang erfreute er sich sichtlich an ihrem nackten Körper. In den grauen Augen zuckte etwas, ein kurzer Schmerz, eine Welle der Sorge. Er beugte sich hinunter, und seine Lippen streiften den flachen Bauch, in dem sich irgendwo – überall! – der Beweis seiner Liebe befand. Dann drehte er sich um, ging ans Fenster und blickte hinaus. Mit einer Hand strich er sich gedankenverloren über den Nacken.
Wer immer und was immer Jai Raventhorne im Innersten auch sein mochte, Olivia wußte, die Gemeinsamkeit der Nacht war vorüber. Wieder einmal war er ihr entschwunden, und sie konnte ihn dort wo er war nicht mehr erreichen.
Seufzend streckte sie sich und gähnte. Ihr Körper pochte vom süßesten Schmerz, den sie kannte. Leise summend stand sie auf und zog sich an. In einer Schublade in einem Spiegelschrank fand sie einen Kamm und kämmte damit die wirren Haare. Das dunkle Bullauge, durch das er starrte, färbte sich langsam eisblau. Sie blickte auf den unbeweglichen Rücken, den er ihr zuwandte, als leugne er damit die Intimität der vergangenen Stunden, und frisierte die Haare zu einem Knoten im Nacken. Unbeabsichtigt begannen ihre Gedanken, sich wieder zu überschlagen. Und wie immer spürte er es.
»Du machst dir noch immer Sorgen um meine Verteidigung.« Es war keine Frage, sondern eine sachliche, klare Feststellung.
Sie hielt es für sinnlos, ihm zu widersprechen und sagte: »Ja.«
Er ging zu dem Sekretär, griff nach ein paar Blättern und warf sie in ihre Richtung. Sie fielen auf das Bett. »Lies das. Was dort steht, wird dich vermutlich interessieren.« Dann nahm er seine Gedankengänge am Fenster wieder auf. Seiner Unpersönlichkeit nach zu urteilen, hätte es durchaus sein können, daß sie sich noch nie in ihrem Leben begegnet waren. Ganz zu schweigen von einer leidenschaftlichen Liebesnacht!
Das erste Blatt war ein notarielles Dokument. Der Text war kurz, und Olivia nahm ihn mit einem Blick in sich auf. Dann las sie ihn sorgfältig noch einmal. Sie mußte die anderen Blätter nicht lesen, denn hier stand bereits alles. Fassungslos sank sie auf das Bett.
»Und?« fragte Jai, »hältst du das für eine ausreichende Verteidigung?« Seine Augen blitzten hart.
»Das … kann nicht wahr sein!« rief Olivia und wurde blaß.
»Es ist wahr.«
»Hat er das … freiwillig unterschrieben?«
»Wohl kaum.«
Ihr Herz wurde von einer eiskalten Faust umklammert. »Es muß ein Irrtum, sein, ein schreckliches Mißverständnis …«
»Ich versichere dir, bei mir gibt es keine Fehler und keine Mißverständnisse«, erklärte er trocken.
»Aber … warum Das ?«
»Er ließ sich am leichtesten kaufen.«
Ihr gefror das Blut in den Adern. »Was ist aus ihm …«
»Ja.«
Entsetzt preßte sie die Hand auf den Mund. »Hast du … ihn umgebracht?«
»Ja.«
Es tat weh, wie mühelos er das eingestand. »Aber warum? Warum, wenn du das hier bereits in Händen hattest?«
Er sah sie kalt an. »Tote können weder Geschichten erzählen, noch unterschriebene und beschworene Aussagen leugnen. Dieser Das war Abschaum. Er hat nur bekommen, was er verdient.«
Es schockierte sie nicht, daß er einen Mann umgebracht hatte. Sie konnte gut glauben, daß Jai schon getötet hatte. Aber ihr machte Angst, daß er jetzt noch angreifbarer war.
»Sie werden dich nicht in Ruhe lassen, Jai. Sie werden dich jagen, bis sie dich haben – so oder so.«
»Ich bin daran gewöhnt, gejagt zu werden. Sie werden seine Leiche nicht finden … oder erst, wenn es nicht mehr wichtig ist.« Er mußte irgendwie belustigt lächeln.
Olivia kämpfte gegen die entsetzliche Angst an, die ihr den Schweiß auf die Stirn trieb, und fuhr sich unsicher über die Augen. Sie versuchte, wieder klar zu denken. »Wenn Das … vermißt wird, dann werden sie behaupten, die Aussage sei eine Fälschung.«
Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht. Es kommt nicht darauf an.«
»Was wirst du mit seiner Aussage machen?«
Er sah sie fragend an. »Was glaubst du?«
Olivia schluckte heftig. »Wirst du sie veröffentlichen?«
»Findest du nicht auch, daß ich es tun sollte? Glaubst du nicht, man sollte sie beide bloßstellen?« Zum ersten Mal wirkte er zornig. »Ich sage beide,
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