Wer Liebe verspricht
sondern auch beunruhigt, daß sie die einzige Frau bei der Jagd sein würde. »Dann bleibe ich bei Ihnen. Es ist so angenehm und friedlich hier.«
»Das würde mein Gemahl nicht zulassen, und ich auch nicht«, sagte Kinjal entschieden. »Wir möchten nicht, daß Sie ein so seltenes Erlebnis wie eine Tigerjagd versäumen.«
Es wäre unhöflich gewesen, sich zu weigern. Deshalb beließ Olivia es dabei, obwohl ihre Unruhe nicht wich. »Wie viele Schützen sind es?«
»Acht. Auf jedem Elefanten sitzt einer, und vier gehen zu Fuß.«
Würde Jai Raventhorne die Howdah mit dem Maharadscha teilen? Olivia betete darum. Die Howdahs waren bequem und gut ausgestattet, aber keineswegs geräumig genug, um einen gewissen Abstand zwischen zwei Personen zu garantieren. Aber als das Startsignal gegeben wurde, und die Elefanten vor die Veranda traten, trompeteten und auf Befehl der Mahouts niederknieten, um dem Fürsten zu huldigen, wurde deutlich, daß Olivias Flehen nicht erhört werden würde. Der Elefant mit der Standarte des Maharadscha stand abseits. Auf zwei Elefanten saßen bereits die Schützen, und damit blieb nur noch ein Tier übrig. Vielleicht, so hoffte Olivia stumm, würde Raventhorne doch mit dem Maharadscha reiten! Sie wandte sich um und sah, daß Kinjal sie genau beobachtete.
»Jai hat darum gebeten, mit Ihnen zu reiten, Olivia«, sagte sie ruhig. Aber ihre Augen sahen sie seltsam unglücklich an. »Wäre Ihnen ein anderer lieber?«
Es trieb Olivia die Röte in die Wangen, daß Kinjal so mühelos ihre Gedanken erraten hatte. Ja, das wäre mir lieber …, wollte sie antworten. Lag es wirklich nur daran, daß sie die allgemeine Verlegenheit fürchtete, die sie mit diesem Wunsch möglicherweise hervorrufen würde? Jedenfalls schüttelte Olivia rasch den Kopf und lief eilig die Treppe hinunter, wo bereits alle warteten.
Ihre Jagdkleidung stammte von Tante Bridget, die schon oft im Dschungel gewesen war und genau wußte, was man dazu brauchte. Der Hosenrock – darin konnte man sich ungehindert bewegen – war aus kräftigem braunen Twill. Die hochgeschlossene Baumwollbluse mit den langen Ärmeln bot Schutz vor Insekten, und die derben, kniehohen Lederstiefel waren eine Vorsichtsmaßnahme gegen Schlangen und Skorpione, die im Unterholz lauern mochten. Tante Bridget hatte darauf bestanden, daß Olivia unter dem Hosenrock eine lange Unterhose trug. »Wenn du vom Elefanten fällst, bietest du dem Eingeborenenhaufen wenigstens kein Schauspiel.«
Raventhorne half ihr die Leiter hinauf in die Howdah. Sein Blick verriet, daß ihre Kleidung seine Zustimmung fand. Er war natürlich so nachlässig wie immer angezogen. Er hatte um die einfache Reithose nur zusätzlich einen Patronengürtel geschnallt. Während Olivia in der Howdah Platz nahm, stieg er, zu ihrer großen Erleichterung, über das niedrige Holzgitter und setzte sich zu dem Mahout auf die Schulter des Elefanten, legte das Gewehr über die Knie und verschränkte die Arme. Olivia streckte vorsichtig die Beine aus und überlegte, ob er möglicherweise die unfreundlichen Gedanken erraten hatte, die ihr durch den Kopf gegangen waren.
Er hatte. »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich mich manchmal auch benehmen kann«, erklärte er und genoß Olivias Verlegenheit. »Es fällt mir allerdings schwer zu glauben, daß Ihnen noch nie ein Mann nahegekommen sein soll. Schließlich sind Sie zweiundzwanzig und nicht gerade häßlich.«
»Mir sind sehr wohl schon Männer nahegekommen«, erwiderte sie und wurde dabei kaum rot, »aber noch nie ein so unverschämter wie Sie.«
Er lachte nur.
Der prächtige Zug, der beinahe wie eine feierliche Prozession wirkte, setzte sich in Bewegung und zog bald durch dichten Dschungel. Den Elefanten folgte eine große Zahl Männer zu Fuß. Inzwischen war es heller Tag, aber es fiel nur gedämpftes Licht durch das dichte Blätterdach. Vögel stritten sich um Würmer, Schmetterlinge flatterten durch die Luft oder umschwebten überwältigend schöne Blüten, und Hörnchen sausten aufgeregt keckernd die Bäume hinauf und herunter. Auf einem hellgrünen Moospolster zwischen den Wurzeln eines Banyanbaumes saß eine Familie dicker Kröten und betrachtete teilnahmslos das Schauspiel. Der Dschungel war von einer eindrucksvollen Erhabenheit, eine gut funktionierende Welt, in der alles und jeder seinen Platz kannte und sich entsprechend verhielt. In der Ferne lockten noch immer die Trommeln und trieben den Tiger unerbittlich in die tödliche
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