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Wer liest, kommt weiter

Wer liest, kommt weiter

Titel: Wer liest, kommt weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Denk
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überfliegt das Vorwort, blättert noch darin, während sein Blick schon über die nächste Bücherreihe gleitet und an zwei kleinformatigen Bänden festmacht ... dann stellt er den Goethe zurück und nimmt die beiden Bändchen aus dem Regal, hält sie eine Weile wägend in der Hand, gibt sich einen Ruck und liest ihr, ein wenig zu laut, aber mit fester Stimme, den Titel vor: Liebesgeschichten aus Tausendundeiner Nacht.
    Was hier noch über das Lesen von Gedichten zu finden ist, über die Notwendigkeit von Gesprächen in der Familie, über die Schwierigkeiten, die junge Leute mit ihren Gefühlen haben, macht dieses Buch auch und gerade für Jugendliche lesenswert. Es ist sozusagen eine moderne Taugenichts-Novelle und eine Erziehung des Herzens am Anfang des 3. Jahrtausends. Ref 21

    Wer Kindern vorliest, fördert sie und sich selbst
»Herr Hase«, sagte das kleine Mädchen, »ich brauche Hilfe.«
»Hilfe, kleines Mädchen? Ich will dir gern helfen, wenn ich kann«, sagte Herr Hase.
»Herr Hase«, sagte das kleine Mädchen, »es ist wegen meiner Mutter.«
»Deine Mutter?« sagte Herr Hase.
»Sie hat Geburtstag«, sagte das kleine Mädchen.
»Herzliche Glückwünsche«, sagte Herr Hase. »Was schenkst du ihr denn?«
    Das ist der Anfang des Bilderbuchs von Charlotte Zolotow und Maurice Sendak: Mr. Rabbit and the Lovely Present (1962), Herr Hase und das schöne Geschenk (1969). Ref 22
    Auf dem Bild sehen wir das kleine Mädchen traurig auf einem Waldweg stehen und vor ihr Herrn Hase, mit aufgerichteten Ohren dem Mädchen zugewandt. So hört auch das Kind der Mutter oder dem Vater zu, wenn sie ihm etwas vorlesen:
»Das ist es ja gerade«, sagte das kleine Mädchen, »deshalb brauche ich Hilfe. Ich habe gar kein Geschenk für sie.«
»Kein Geschenk für deine Mutter an ihrem Geburtstag?« sagte Herr Hase. »Kleines Mädchen, du brauchst wirklich dringend Hilfe!«
»Ich möchte ihr etwas geben, das sie gern hat«, sagte das kleine Mädchen.
»Etwas, das sie gern hat, ist ein gutes Geschenk«, sagte Herr Hase.
    Dieses Bilderbuch ist nicht nur wegen der Bilder ein Klassiker geworden. Vor allem der Text ist bezaubernd. Es geht um drei für Kinder ganz zentrale und erfreuliche Themen: die Mutter, Geburtstage und Geschenke. Und die Kleine tut, was viele nur ungern tun. Sie bittet um Hilfe und bedankt sich am Ende:
    »Ich danke dir für deine Hilfe, lieber Herr Hase« . Lieber Herr Hase, sagt sie, weil das Helfen einander näher bringt. Und er antwortet, damit ihr das Sichhelfenlassen leichter fällt: »Nicht der Rede wert«, sagte Herr Hase. »Ich habe dir gern geholfen.«
    Das Mädchen suchte nämlich Geschenke in den Lieblingsfarben der Mutter, was dem Hasen zuerst Gelegenheit gibt, ein gelbes Taxi, die gelbe Sonne, einen Kanarienvogel, Butter und schließlich Bananen vorzuschlagen.
    Diese Geschichte ist ganz einfach geschrieben und für das Lernen der Sprache wunderbar geeignet. Bestimmte Worte und Wendungen werden mehrmals leicht verändert wiederholt: Ich brauche Hilfe, ich will dir helfen, deshalb brauche ich Hilfe, du brauchst dringend Hilfe. Und dann eine »Grammatikübung« zu den Farbadjektiven: Rot, etwas Rotes, rote Strümpfe, rote Dächer, mit roten Vögeln, einen roten Feuerwehrwagen, mit roten Äpfeln.
    Um dieses Bilderbuch vorzulesen, braucht die Mutter sieben Minuten. Aber viel mehr Zeit kann sie mit ihrem Kind damit verbringen, über das kleine Mädchen und den Hasen zu sprechen, die Bilder anzuschauen, auf denen einiges zu sehen ist, was im Text nicht genannt ist, aber auch dazugehört: ein Dorf, der Wald und seine Wege, Wiesen, ein blauer See mit drei Birken, eine Brücke über einen Bach und die nächtliche Veranda vor dem Holzhaus, als das kleine Mädchen mit dem Geschenkkorb im Arm von ihrem Ratgeber Abschied nimmt.
    Wer solche Bücher Kindern vorliest und mit ihnen darüber spricht, hilft ihnen, in die Sprache hineinzuwachsen und die Welt besser zu verstehen, und weckt in ihnen die Liebe zu den Büchern, in denen solche Geschichten zu lesen sind, und den Wunsch, bald auch selbst solche Bücher lesen zu können.
    Deshalb ist auch der Bundesweite Vorlesetag , den DIE ZEIT, die Stiftung Lesen und die Deutsche Bahn am 15. November 2013 zum zehnten Mal organisieren, ein so wichtiges Signal.
    Und wer Kindern vorliest, gewinnt auch selber dabei, vielleicht die Erkenntnis, die Marie von Ebner-Eschenbach so formuliert hat: Wenn jeder dem andern helfen wollte, wäre allen geholfen. Und daß man, wenn man andere

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