Wer liest, kommt weiter
Wissen, das wir in der Schule und meistens auch im Beruf brauchen, fast immer sprachliches Wissen, anders gesagt: Wir müssen das Gelernte sagen oder schreiben können, und zwar nicht nur in Prüfungen.
Deshalb bestehen »Spickzettel« auch nicht aus Bildern, sondern aus sprachlichen Informationen. Und um die zu lernen, das wissen wir alle, verspricht leises und lautes Lesen, eventuell auch Auswendiglernen, sowie Abschreiben und Zusammenfassen in eigenen Worten den besten Erfolg.
Merkwürdigerweise wird diese zentrale Möglichkeit des Lernens in den meisten neuen Büchern über das Lernen nicht erwähnt. In sechs umfangreichen Büchern über Lernpsychologie, erschienen zwischen 2000 und 2007, die ich in der Zürcher Zentralbibliothek ausgeliehen habe, fehlt im Register das Stichwort »Lesen«. Wie erklärt sich diese Geringschätzung des Lesens, die allen pädagogischen Erfahrungen widerspricht?
Was und wie wir beim Lesen lernen können, sei noch an drei Beispielen gezeigt, an zwei Zeitungsartikeln und einem literarischen Text. Man könnte natürlich auch aus einem Sachbuch zitieren, etwa einem Geschichtsbuch. Aber da ist ohnehin klar, daß wir dabei lernen, vor allem wenn es interessante Geschichtsbücher sind wie zum Beispiel Cäsar (1982) von Prof. Christian Meier oder die Erinnerungen Ein Deutscher auf Widerruf (1982) von Prof. Hans Mayer oder die Autobiographie von Prof. Hans Maier: Böse Jahre, gute Jahre (2011).
Hier also statt eines Abschnitts aus einem Sachbuch zwei Artikel aus der NZZ vom 15. Dezember 2011 – ähnlich interessante Artikel gibt es natürlich auch in anderen Zeitungen:
Kino in Kürze: Gerhart Richter Painting
mlö. – Corinna Belz’ wunderbarer Dokumentarfilm«Gerhard Richter painting»hält, was sein Titel verspricht. Er zeigt einen der bedeutendsten Künstler unserer Zeit beim Verfertigen grossformatiger, abstrakter Gemälde: beim Auftragen, Verwischen und Verschwindenlassen von Farbe unter immer neuen Schichten. Ein langsamer Prozess, unterbrochen vom Nachdenken, Zurücktreten, Überlegen und Verwerfen. Kein Wunder, dass die Präsenz der Kamera Gerhard Richter dabei unbehaglich ist. Doch beobachten zu können, welche künstlerischen Entscheidungen Richter trifft, verleiht dem Film hohe Spannung. Die feierliche Filmmusik – J.S. Bach, John Cage, György Kurtág und Dietmar Bonnen – wird von den Kommentaren des Malers selbst konterkariert. Sie sind rar, lakonisch und oft überraschend witzig. Ein kleines Meisterwerk.
Auch diese Filmkritik in acht kurzen Sätzen ist ein kleines Meisterwerk in der Präzision der Beschreibung, in Wortwahl und Satzbau. Wir lernen, je genauer wir lesen, desto mehr dabei, auch über den langsamen Prozess des Malens, schließlich lesen wir von drei zeitgenössischen Musikern, deren Musik wir jetzt vielleicht hören wollen. Und vielleicht schauen wir uns auch den Film an? Nebenbei können wir auch ein für uns neues Wort in unseren »Wörterbaum« hängen: »konterkarieren«, dessen Sinn aus dem Zusammenhang erschlossen werden kann: durchkreuzen, hintertreiben, widersprechen.
Und hier der zweite Artikel: Durchbruch für Ego-Shooter
(dapd) – Wie der Computerspiele-Hersteller Activision Publishing mitteilte, hat der kürzlich erschienene Ego-Shooter«Call of Duty: Modern Warfare 3»(«CoD») einen Umsatzrekord erzielt. Der Rekord von einer Milliarde Dollar Umsatz innerhalb von 17 Tagen, den der Kinofilm«Avatar»aufstellte, wurde unterboten. Die Marke von einer Milliarde Dollar sei schon nach 16 Tagen erreicht worden, teilte Activision mit. Mehr als 30 Millionen Spieler zählt die «CoD»-Community inzwischen.«Carl of Duty: Modern Warfare 3»ist ab 18 Jahren freigegeben worden .
Jeder Zeitungsleser interessiert sich für etwas anderes und bringt sich bei der täglichen Zeitungslektüre in seinen Interessengebieten auf den neuesten Stand. Der eine liest mit Gewinn den Artikel über den Maler Gerhard Richter. Ein anderer interessiert sich für die neuen Medien. Was kann er dabei lernen?
Zunächst merkt der kritische Leser, daß diese Nachricht ursprünglich eine PR-Meldung war und deshalb mit Vorsicht zu genießen ist. Vor allem klingt die Formulierung Mehr als 30 Millionen Spieler zählt die«CoD»-Community inzwischen verdächtig nach Werbung.
Und die Zahlenangaben? Entweder sind sie übertrieben oder beängstigend. Wenn von den 7 Milliarden Menschen weltweit 30 Millionen das Killerspiel Ruf der Pflicht. Moderne Kriegsführung spielen, das
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