Wer liest, kommt weiter
Jean-Paul Sartre oder die Aufsätze von Hans-Georg Gadamer.
Soziologische Bücher zu unserem Thema sind Legion. Darin wurde seit etwa 1980 immer wieder festgestellt, daß immer weniger gelesen wird. Über die Gründe wurde wenig geschrieben. Trotzdem waren z. B. die Arbeiten der Zürcher Medienforscher Heinz Bonfadelli, Ulrich Saxer und Christian Doelker immer erhellend, desgleichen die von Bodo Franzmann und Heinrich Kreibich für die Stiftung Lesen herausgegebenen Werke. Die Stiftung Lesen hat auch den kompetentesten amerikanischen Medienkritiker nach Deutschland eingeladen: Neil Postman.
In den USA gab es auch die meisten Hinweise auf die fatalen Folgen des übermäßigen Fernsehens bei Kindern: So in dem von Carolyn N. Hedley u.a. herausgegebenen Buch über Thinking and Literacy (1995). Schon damals schauten die zweibis elfjährigen Kinder in den USA fast 30 Stunden pro Woche fern. Und heute bestätigen die Bücher von Nicholas Carr (s.o.), Marc Bauerlein (The Dumbest Generation: How the Digital Age Stupefies Young Americans and Jeopardizes Our Future, 2008) und anderen wissenschaftlich, was Mary Winn, Jerry Mander und Neil Postman schon in den 80er Jahren vorausgesagt haben: daß der frühe Fernsehkonsum für die Kinder nachteilig ist.
Aber die Pädagogen müßten doch sehen, was passiert? Sie wußten von Anfang an, daß das Fernsehen im Unterricht wenig bringt. Das andere Medium, auf das wir einige Hoffnungen gesetzt hatten, das Sprachlabor, ist inzwischen aus den Schulen verschwunden, weil die Stimme vom Tonband nie die Stimme eines wirklichen Gesprächspartners ersetzen kann.
Allerdings glauben die Pädagogen, wie schon oben erwähnt, noch immer, daß Schulbücher bunt sein müssen wie Bilderbücher, damit die Schüler »motiviert« sind. Bei Biologie- und Geographiebüchern ist das verständlich. Aber bei Lese- und Sprachbüchern ist das ein Irrtum: Je mehr Bilder da sind, desto mehr schaut man und desto weniger liest und lernt man.
Aber der Computer und das Internet! Es gibt zahllose Bücher über den »Medieneinsatz« in der Schule, auch im Kindergarten. Eines der ersten international erfolgreichen war Kinder und neue Medien (1987) von Patricia Marks Greenfield. Darin vertrat die amerikanische Entwicklungspsychologin die These, daß Print-Medien, erzieherisch gesehen, nicht a priori höherwertige, überlegene Medien sind ... Sinnvoll in Dialog und Diskussion eingebettet, kann das Fernsehen die Rolle übernehmen, die traditionell dem Text eingeräumt wird. Ref 87
Dieser Optimismus wird, trotz kritischer Bücher von Computer-Spezialisten wie Joseph Weizenbaum oder Clifford Stoll, bis heute propagiert, auch weil immer mehr elektronische Geräte entwickelt werden, die das Lehren und Lernen vereinfachen sollen. Man denke nur an PowerPoint und die »digitalen Whiteboards«. Das Endziel ist ein Hightech-Klassenzimmer, in dem alle an ihren Laptops sitzen. Ob die Schüler dann dem Unterricht noch folgen wollen, ist eine andere Frage. Es könnte auch sein, daß sie, nicht anders als manche heutigen Studenten, auch im Unterricht am liebsten im Internet surfen ...
Aber es gibt auch pädagogische Bücher, in denen die Bedeutung des Computers und des Lesens anders gewichtet werden. Im Kapitel über Gebote und Verbote (s.o. S. 148) wurden schon einige Autoren genannt, hier noch Bruno Bettelheim und Karen Zelan: Kinder brauchen Bücher (1982) und Kurt Reumann: Lesefreuden und Lebenswelten (1992).
Natürlich haben auch die Psychologen interessante Bücher über das Lesen vorgelegt, u.a. über die Bedeutung der Augenbewegungen und das Verstehen von verschieden schwierigen Texten. Der Zusammenhang von Lesen und Denken ist selten ein Thema, das unterschiedliche Lernen mit visuellen oder gedruckten Medien fast nie. Was passiert denn mit all den Bildern aus den visuellen Medien in unseren Köpfen? Wie werden sie gespeichert oder »entsorgt«?
Neuerdings erscheinen immer mehr psychologische Bücher über »nicht stoffgebundene« Süchte, zum Beispiel: Kay Uwe Petersen /Rainer Thomasius: Beratungs- und Behandlungsangebote zum pathologischen Internetgebrauch in Deutschland (2010).
Darin sind 87 internationale Studien ausgewertet. Ergebnis: Vor allem männliche Jugendliche gelten bislang als Hochrisikogruppe für die Entwicklung von pathologischem Internetgebrauch. Unter tschechischen Studenten sind es 6 %, unter Schülern in Taiwan sogar 17,9 %. Besonders gefährdet sind Online-Rollenspieler mit frühen
Weitere Kostenlose Bücher