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Wer liest, kommt weiter

Wer liest, kommt weiter

Titel: Wer liest, kommt weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Denk
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Sendungen, bei denen die Zuschauer mitwirken dürfen? Bei Big Brother durften sie von Anfang an bestimmen, welche Kandidaten alle zwei Wochen »rausfliegen« und wer am Ende gewinnt. Das gab den Zuschauern mehr Macht. Aber dafür mußten sie noch länger zuschauen.
    Das Problem dieser Macht- und Freiheitsvermehrung ist ein doppeltes. Jede Macht und jede Freiheit kann mißbraucht werden. Vor allem aber sind nicht wir die wahren Machthaber, sondern die Betreiber der visuellen Medien, die mit uns Geschäfte machen wollen.
    Johano Strasser schreibt in seinen Erinnerungen Als wir noch Götter waren im Mai (2007):
Zu den Wundern meiner Kindheit und Jugend gehört, daß wir trotz der anhaltenden materiellen Probleme, die uns Kinder früh zur Mitarbeit zwangen, so unendlich viel Zeit und Gelegenheit zum Spiel hatten. Vielleicht hängt dies damit zusammen, daß uns die heute so verbreiteten und zeitraubenden Möglichkeiten der Mediennutzung und die Vielfalt der zerstreuenden Unterhaltung nicht zur Verfügung standen.
    So ist es. Wir hatten kein Geld, wurden deshalb in Ruhe gelassen und hatten so viel mehr Zeit, auch zum Lesen. Ref 82
    Das änderte sich gründlich nach der Zulassung des Privatfernsehens in den 80er Jahren. Am 15.10.1990 wurde Helmut Thoma im Spiegel gefragt, was er von Sendungen wie der Striptease-Sendung »Tutti frutti« halte, mit denen er RTL zum erfolgreichsten TV-Sender Europas gemacht hatte. Seine Antwort:
Der Zuschauer darf seine Regierung wählen, also auch sein Fernsehprogramm. Ich wundere mich auch hin und wieder über die Wahl, aber der Wurm muß dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.
    Diese Sätze sind noch heute (am 20.12.2012) das Motto auf seiner Webseite. Wie soll man sie verstehen?
    Die Köder beim Fischfang sind Würmer, künstliche Fliegen, »Blinker«, die wie Fischlein, »Nymphen«, die wie Fliegenlarven aussehen. Es sind immer visuelle Reize, die sich oft noch bewegen: ganz wie die bewegten Bilder in den visuellen Medien. Und wenn der Fisch endlich zubeißt, bleibt er hängen. So soll es auch uns gehen, wenn wir uns auf bestimmte Angebote der visuellen Medien einlassen, mit denen wir geködert werden.
    Aber anders als die Fischer, die es auf die großen Fische abgesehen haben, haben die Medien-Angler und -Fischer bei den Menschen die Kleinen im Visier, denn die Kinder sind die Lieblingskunden der visuellen Medien. Warum? Weil sie am ehesten zu Stammkunden werden.
    Paula Bleckmann berichtet in ihrem eindringlichen Buch Medienmündig (2012) von einem »Lernsitz« für Neugeborene, der sich »Magic Moments Learning Seat« nennt und den viele tausend amerikanische Mütter kaufen. Darin steuert das Baby durch Bewegung seiner Ärmchen die Bild - und Geräuschfolge des oberhalb in seinem Gesichtsfeld angebrachten Computermonitors  ... dann erscheint etwas ein Bild von einem Affen und eine Stimme sagt dazu ›Affen mögen Bananen‹ ... ›Dieses spaßige Lerncenter verspricht Stunden voller Abenteuer‹, so der Werbetext. Ref 83
    So können die Babys Hunderte und Tausende von Stunden wie gebannt auf den Bildschirm starren, aber lernen können sie kaum etwas dabei. Denn Kleinkinder lernen das Sprechen und das Denken nur im direkten Kontakt mit Erwachsenen. Das gilt auch für Kindersendungen im Fernsehen: Because it is something to be watched, it lacks the direct interactive properties of language used for face-to-face communication. So Eve V. Clark in ihrem Grundlagenwerk First Language Acquisition (2009).
    Noch ausführlicher hat sich Susanne Gaschke, langjährige Redakteurin der ZEIT, mit der Umerziehung von Kindern zu Kunden befaßt und dazu ein spannendes Buch vorgelegt: Die verkaufte Kindheit (2011). Sie zeigt an vielen Beispielen den Zynismus der Marketing-Strategen, die offen sagen:
    Kinder lernen ihr Konsumverhalten von zwei Parteien: den Eltern und den Werbeleuten. Eltern haben immer weniger Zeit, Werbeleute ein viel intensiveres Interesse an den Kindern.
    Hier noch ein »klassisches« Beispiel für das visuelle Angebot, das dazu beiträgt, daß unsere Jugend viel weniger frei ist, als sie sein könnte, und vom Lesen und Lernen abgehalten wird. Ich meine die Fernsehserie Teletubbies, die ein Meilenstein auf dem Weg zum Kleinkinder-Fernsehen war und bei uns im »Kinderkanal« lief, dem Sender »ganz ohne Werbung«. Doch die »Tele-Dickerchen« waren pure Werbung: für etwa 4000 verschiedene Teletubbie-Produkte weltweit und für das Fernsehen selbst.
    In dieser von einer britischen

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