Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
Sieben Monate? Acht?« Wow, so lange war das her? Wie so viele meiner Freundschaften hatte auch diese in letzter Zeit nur noch in Form von Mails und SMS weitergelebt. Eine Art Beatmungsgerät für Freundschaften.
Bill stand ganz besonders hinter dem Konzept meines Jahres der Angst. Wir hatten uns vor zehn Jahren kennengelernt, als ich im Sommer ein Praktikum bei der Zeitschrift Stuff machte. Er war der Kulturredakteur, und als ich entdeckte, dass er neben seinem Schreibtisch ein aufblasbares Krokodil hatte, wusste ich: Mit diesem Mann muss ich mich einfach anfreunden .
»Und, bist du bereit, morgen eines schrecklichen Todes zu sterben, Hancock?«, zog er mich auf.
»Erinnere mich nicht daran«, stöhnte ich. »Ich kann es überhaupt nicht glauben, dass du so was zum Spaß machst.«
Aber im Grunde konnte ich es sehr gut glauben. Er war ein direkter Nachfahre von William Dawes junior, der Paul Revere 1775 auf seinem berühmten Mitternachtsritt begleitet hatte, um die Amerikaner vor der britischen Invasion zu warnen. Die Furchtlosigkeit lag ihm quasi in den Genen. Dieser Mann hatte sich mit Ende zwanzig als Student ausgegeben und sich in einem College eine Woche lang unter die anderen gemischt, um auszuprobieren, ob es wirklich so lustig war wie in seiner Erinnerung. Er war den Walt-Disney-Marathon mitgelaufen, was vielleicht nicht weiter erwähnenswert gewesen wäre, hätte er sich nicht alle acht Kilometer ein neues Disney-Prinzessinnen-Kostüm angezogen.
Bevor wir auflegten, sagte Bill: »Also, dann bis Samstag.« Nach einer dramatischen Pause fügte er hinzu: »Hoffentlich.« Ich legte auf, während sein filmreifes Schurkenlachen noch aus dem Hörer dröhnte.
Dieses Abenteuer schien besonders passend, weil Wasser zu Eleanors größten Ängsten gehörte. Es begann, als sie drei Jahre alt war und mit ihren Eltern mit dem Dampfschiff nach Europa fuhr. Am ersten Tag der Reise kollidierte ein Boot, das sich im Nebel verirrt hatte, mit ihrem Schiff, und es gab Tote und Verletzte. Elliott und Anna Roosevelt flüchteten sich in ein Rettungsboot, während Eleanor an Deck blieb. Die Crew sollte sie über Bord werfen und ihr Vater sie unten auffangen. »Mein Vater stand dort unten im Boot, und ich wurde über der Reling gehalten, um mich ihm direkt in die Arme fallen zu lassen«, schrieb Eleanor. »Ich hatte schreckliche Angst und schrie und klammerte mich an die Leute, die mich hinunterwerfen sollten.« Sie brüllte immer noch, als sie durch die Luft flog und in Elliotts Armen landete. Es wird niemanden überraschen, dass Eleanor nach diesem Erlebnis ein Problem mit Wasser und Höhen hatte. Es half auch nichts, dass Anna und Elliott ihre traumatisierte Tochter bei Verwandten ließen, während sie ihre sechsmonatige Reise durch Europa fortsetzten. Von da an ließen sie sie fast immer zu Hause, weil sie sich so vor Schiffen fürchtete. Angst blieb nicht ohne Konsequenzen, lernte Eleanor.
Wenige Jahre später gab es noch einen unseligen Vorfall. Als das Mädchen bei Cousins in Oyster Bay zu Besuch war, war ihr Onkel Teddy Roosevelt »erschüttert, dass ich nicht schwimmen konnte. Also beschloss er kurzerhand, dass er es mir genauso beibringen würde wie seinen eigenen Kindern, und er warf mich einfach ins Wasser«, erinnerte sich Eleanor. »Ich sank auf den Grund wie ein Stein. Er fischte mich wieder heraus und hielt mir einen Vortrag darüber, wie dumm es ist, Angst zu haben.«
Am nächsten Morgen spazierte ich zum Anleger und traf den Kapitän der Manatee , Gus, einen kräftigen Mann mit langen braunen Dreadlocks und monotoner Stimme. Das Fischerboot war kleiner und schlichter, als ich erwartet hatte. Die Schlafkojen befanden sich unter Deck im Rumpf. Dort konnten immer nur zwei Leute gleichzeitig stehen. Die Etagenbetten waren Kojen, die in die schrägen Wände eingelassen waren. Es gab keine Dusche, nur einen Schlauch an Deck, mit einem Wasserdruck, der jedem Löschzug Ehre gemacht hätte. Und wenngleich ich nie zu den besonders anspruchsvollen Leuten gehört habe, habe ich doch was übrig für eine nette Rolle Toilettenpapier, und in unserem Bad gab es keine. Ich fischte mein Handy aus dem Rucksack und rief Bill an, um ihn zu bitten, er möge eine Rolle mitbringen. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand in Hörweite war, zischte ich ins Telefon: »Und was mach ich, wenn ich was Großes machen muss, bevor wir auf Martha’s Vineyard sind?«
»Vielleicht musst du einfach den Schlauch an Deck benutzen«,
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