Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
Vom Netzwerk:
herumzuklatschen und dann mit übertriebenen Schritten winkend quer durch den Saal zu stapfen. Erinnerte irgendwie an einen Cartoon-Frosch, der in der einen Hand seinen Spazierstock, in der anderen seinen Zylinderhut schwenkt. Außerdem kramte ich ein Weihnachtsmannkostüm aus Collegetagen hervor und trug es einen Tag lang. Doch obwohl ich versuchte, mich mit diversen Albernheitsaufgaben abzulenken, setzte sich eine dunkle Vorahnung in meiner Magengegend fest. Ich würde nicht darum herumkommen.
    Ich musste zum Karaoke.
    Die meisten Leute sind als Kinder albern und werden mit den Jahren immer ernster. Eleanor nahm den umgekehrten Weg. Eine meiner Lieblingsgeschichten über sie stammt aus den Memoiren der Schriftstellerin Fannie Hurst. In Anatomy of Me beschrieb sie ihren Besuch im Weißen Haus 1933. Nach dem Mittagessen begleitete sie Eleanor ins Krankenhaus, wo sich einer ihrer Söhne gerade von einer Blinddarmoperation erholte. Anschließend gingen sie zur Eröffnung einer Picasso-Ausstellung, auf der Eleanor eine Rede hielt. Dann fuhren die beiden wieder zurück ins Weiße Haus, um eine Delegation von ungefähr vierzig Lehrern von den Philippinen und einen afroamerikanischen Baptistenprediger aus Atlanta zu empfangen. Nachdem sie sich rasch umgezogen hatten, gingen sie mit einem Freund der Roosevelts zum Abendessen. Um elf Uhr abends kamen Eleanor und Fannie zurück ins Weiße Haus, um sich die erste Aufführung eines Tonfilms anzusehen – die Produktionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer hatte dazu vor Kurzem einen Projektor für den Präsidenten installiert. Es war schon weit nach Mitternacht, als Fannie in ihr Bett kroch und beschloss, »ausnahmsweise schlafen zu gehen, ohne mich abzuschminken«. Da klopfte es an ihre Schlafzimmertür.
    »Herein«, sagte Fannie unsicher.
    Eleanor betrat in einem schwarzen Badeanzug das Zimmer. In der Hand hatte sie ein Badetuch. »Ich hab Ihnen doch versprochen … Ihnen mal meine Yoga-Übungen vorzuführen.« Sie breitete das Handtuch auf dem Boden aus, und dann stellte sich zu Fannies Überraschung die neunundvierzigjährige First Lady kerzengerade auf den Kopf.
    »Du musst einfach auf die Bühne gehen und selbst deinen Spaß haben, Schatz!«, meinte Matt ein paar Tage später, als wir zusammen die Karaoke-Bar betraten. Er hatte seinen Freund Jesse – Theaterkritiker und leidenschaftlicher Karaokesänger – nach einem guten Lokal gefragt.
    »Ich gehe dieses Wochenende mit ein paar Freunden von der Arbeit zum Karaoke«, sagte Jesse. »Alles ziemliche Drama Queens, aber ich bin sicher, sie würden sich freuen, wenn ihr mitkommt!« Wie sich herausstellte, gehörten zu Jesses »Freunden von der Arbeit« mehrere »echte« Sänger vom Varietétheater.
    »Ich fass es nicht, dass du bei meinem zweiten Karaoke-Anlauf prompt eine Gruppe professioneller Sänger mitbringst«, beschwerte ich mich bei Matt, als sich unsere Gruppe auf die lila Plüschsitze verteilte.
    »Ich dachte, er nennt sie Drama Queens, weil sie sich immer so aufführen!«, verteidigte er sich. »Außerdem … komm schon, wie gut können die schon sein, wenn sie zum Karaoke gehen?«
    »Wie gut die sein können?«, wiederholte ich. »Der Typ da drüben hat rein zufällig in Cabaret mitgespielt!«
    Matt gehörte zu den Leuten, die in allem, was sie ausprobieren, immer gleich glänzen. Normalerweise versuchte ich, solchen Leuten ja aus dem Weg zu gehen, aber diesen Zug entdeckte ich erst im Laufe unserer Beziehung an ihm: Als ich das Bild in seinem Elternhaus sah, das ihn nach seinem zweiten Sieg im 800-Meter-Rennen von Manhattan zeigte. Oder als ihn sein Mitbewohner vom College fragte: »Matt, worüber hast du noch mal deine Abschlussarbeit geschrieben? Die ist damals doch ausgezeichnet worden, oder?« Als er mich zum Segeln mitnahm. Als wir Billard spielen gingen und er den Tisch abräumte. Als er schließlich den Pulitzer-Preis gewann – zwar nur als Teil eines Journalistenteams, aber trotzdem –, hatte ich mich schon in ihn verliebt. Außerdem spielte er noch Gitarre in einer Band und hatte eine großartige Stimme.
    Statt weiter mit Matt zu streiten, wandte ich meine Aufmerksamkeit den Notausgängen zu. Für eine Karaoke-Bar war es ganz schön schick, mit Neonlicht und Martinis. Immerhin war die Bühne nicht so hoch, nur ein Podium von ungefähr dreißig Zentimetern Höhe.
    Dr. Bob hatte mir einmal gesagt, dass all unsere Ängste – egal, wie irrational sie uns heutzutage vorkommen mögen – in irgendeiner Form einmal

Weitere Kostenlose Bücher