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Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
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mit unserem Überleben zu tun hatten. Diese Impulse halfen unseren Vorfahren, alle möglichen misslichen Situationen zu vermeiden. Klaustrophobie etwa hat damit zu tun, dass unsere Ahnen besonders leicht von Raubtieren angegriffen werden konnten, wenn sie sich irgendwo verkeilt hatten. In zivilisierter Umgebung wirkt so etwas natürlich leicht neurotisch, aber damals war der primitive Drang, sich sofort aus der Gefahrenzone zu bringen, ausschlaggebend fürs Überleben. Heute macht man sich mit so etwas zum Idioten. Man geht einem Treffen, bei dem einem unwohl ist, aus dem Weg, indem man eine lahme Ausrede vorschiebt. Wenn man sich für eine wichtige Prüfung nicht gut genug vorbereitet fühlt, erfindet man eine Krankheit. Indem man diesem Instinkt nachgibt, verpasst man eine wichtige Lektion des Lebens – dass man nämlich sehr wohl lernen kann, mit schwierigen Situationen umzugehen.
    Chris setzte sich neben mich. »Na, planst du schon deinen Fluchtweg?« Er stieß mir freundschaftlich mit dem Ellbogen in die Seite. Als ich damals verschreckt aus der Karaoke-Bar geflohen war, war er auch mit von der Partie gewesen. Neben ihm saß sein Freund Cub, der so breit grinste, dass er gleich zweifach Grübchen kriegte. Wie immer musste ich mich beherrschen, um mich nicht an Cubs Gesicht festzustarren. Chris mit seinen feinen Gesichtszügen und seinem schlaksigen Körper ist sehr attraktiv. Doch Cub hat diese Art von athletischem Körper und gesundem, hübschem Gesicht, die einen auf unheimliche Weise stolz macht, Amerikaner zu sein. Die beiden sind das bestaussehende und bestgekleidete Paar, das ich kenne. Ihr schicker Stil ist sich so ähnlich, dass sie schon mehrfach – ohne Absprache! – im gleichen Outfit auf Partys aufgetaucht sind.
    »Oh, ihr seid gekommen!«, rief ich und umarmte sie. Allein bei ihrem Anblick fiel schon ein wenig Spannung von mir ab. Die Kellnerin kam mit zwei Gin-Tonics, und Chris stupste mich an: »Na, Mariah, willst du dich nicht vorher noch mit einem Drink stärken?«
    »Nein, für meine Fans muss ich ganz präsent sein«, konterte ich, während die beiden miteinander anstießen. Dr. Bob hatte nämlich auch erklärt, dass man sich seiner Angst nicht wirklich stellt, wenn man auf Alkohol zurückgreift, um sich vor Verlegenheit und Kritik zu schützen. Der einzige Weg, eine Angst zu besiegen, liegt darin, dass man sie spürt. Weswegen ich auch – wohl wissend, dass es Wahnsinn war – nüchtern auf die Bühne steigen würde.
    »Geh doch einfach gleich nach Cub und mir«, schlug Chris vor. »Wir sind so schrecklich, dass du danach einfach toll aussehen wirst.«
    Ich blätterte durch das Heft mit den Songlisten. Eine Ballade? Nein, etwas Alberneres, aber nicht zu gewollt albern. Ich dachte einfach zu viel darüber nach. Schließlich suchte ich einen Song aus, von dem ich annahm, dass er ein gewisses Lächerlichkeitspotenzial besaß, schrieb die Nummer auf einen Zettel und folgte Chris zur Karaoke-Maschine.
    »Wenn du deinen Code nach mir eingibst, müsste dein Lied eigentlich direkt nach unserem kommen.« Er griff nach einer Fernbedienung und drückte ein paar Knöpfe. »Da sind allerdings noch ein paar Lieder in der Warteschleife. Es dauert mindestens noch zwanzig Minuten, bis du dran bist.«
    Der Erste aus unserer Gruppe, ein sanft aussehender Kerl namens Michael, lieferte eine hinreißende Vorstellung mit »Some People« aus dem Musical Gypsy ab. Es dauerte über vier Minuten, aber die Aufmerksamkeit des Publikums war ihm die ganze Zeit sicher. Dann ging der Nächste auf die Bühne und sang irgendetwas aus Sweeney Todd , was ich nicht kannte, aber er sang es gut.
    Matt tätschelte mir ermutigend den Arm. »Keine Sorge. Ich nehme was weniger … Aufsehenerregendes.« Er ging, um kurz darauf mit verlegener Miene zurückzukehren.
    »Du, wie war noch mal der Code von deinem Song? Ich glaube, ich hab ein paar falsche Knöpfe gedrückt und versehentlich Lieder gelöscht.«
    Ohne den Blick vom Sänger loszureißen, wühlte ich in meiner Hosentasche und reichte ihm meinen zerknitterten Zettel. Nachdem er an den Tisch zurückgekommen war, sahen wir zu, wie sich ein Trio von New Yorker Studentinnen durch einen Madonna-Song kicherte. Als Chris und Cub dran waren, musste ich einfach lächeln. Sie sangen als Duo Meat Loafs I Would Do Anything for Love , und Chris hatte recht – sie waren wirklich unglaublich und wunderbar schlecht. Und ich liebte sie dafür. Als sie den letzten schiefen Ton

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