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Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
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als er Springwood von der Auffahrt her betrachtete. Wir waren gerade durch einen großen Garten mit Apfelbäumen spaziert und standen jetzt vor einem Anwesen im Kolonialstil, zusammen mit unserer ungefähr vierzigköpfigen, sportlich gekleideten Gruppe. Unsere Führerin, eine rosagesichtige Frau namens Meg, die angezogen war wie ein Wildhüter, stellte sich auf die Treppe vor dem Eingang mit dem Säulenvorbau.
    »Genau hier stand Franklin nach allen vier Wahlen, um der Menge zuzuwinken, die ihn zu seinem Sieg beglückwünschte«, erklärte sie. »Da Hyde Park eine republikanische Gegend war, witzelte er immer: ›Ich weiß, dass Sie nicht für mich gestimmt haben, aber ich freue mich trotzdem, Sie hier zu sehen.‹« Die Gruppe kicherte pflichtbewusst, während wir unserer Führerin ins schattige Foyer folgten.
    Franklin war ein Sammler, verriet Meg. Seine Briefmarkensammlung umfasste über eine Million Marken. Seine Mutter und er stellten seine Neuerwerbungen immer stolz in der Eingangshalle aus. Mehrere säuberlich gerahmte politische Cartoons, die er amüsant fand, hingen an einer Wand. An einer anderen hingen Seefahrtsgemälde aus dem 19. Jahrhundert. (»Er hat sieben Jahre als Staatssekretär im Marineministerium gearbeitet«, erinnerte uns Meg). Neben der Tür hingen mehrere ausgestopfte Vögel, die Franklin als Junge geschossen hatte. Sie waren so präpariert, dass es aussah, als wären sie noch am Leben und würden fliegen, was ich irgendwie sinnlos fand. Seltsamerweise verbot seine Mutter den Dienstboten, die Vögel anzufassen, und bestand darauf, sie selbst abzustauben. Ich befürchte, wenn Franklin vor ihr gestorben wäre, hätte sie ihn wahrscheinlich ausstopfen lassen und in einen Lehnsessel gesetzt. Da das nicht klappte, war sie auf die nächstbeste Lösung verfallen: Vor den Vögeln saß eine lebensgroße Bronzestatue von Franklin, die Sara in Auftrag gegeben hatte, als er im Alter von neunundzwanzig Jahren in den Senat gewählt wurde.
    Matt und ich schlurften hinter den anderen Touristen durch den Flur. Die Räume waren mit kleinen Schranken abgesperrt, aber man konnte hineinspähen wie in ein lebensgroßes Puppenhaus. Vor jedem Zimmer warteten wir, bis wir an der Reihe waren, um auf den Schildern zu lesen, in was für einen Raum wir schauten und was er für eine Bedeutung gehabt hatte. Zu unserer Linken sahen wir ein höhlenartiges Arbeitszimmer, das Sara ihre »gemütliche Stube« nannte, und von der aus sie die Geschäfte des Hauses führte. Die Möbel waren zu groß für den Raum und – genau wie Sara – flößten sie einem ein Gefühl von Kleinheit ein. Eine Person freilich war die Hauptleidtragende.
    »Deine Mutter hat dich nur ausgetragen«, sagte Sara einmal zu Eleanors Sohn Jimmy. »Ich bin mehr deine Mutter als deine Mutter.«
    Dazu kamen noch gelegentliche öffentliche Beleidigungen, wenn sie zum Beispiel auf einer Dinnerparty zu Eleanor sagte: »Wenn du dir kurz mit dem Kamm durch die Haare fahren würdest, sähst du gleich so viel netter aus, meine Liebe.«
    Aus der Sitzordnung kann man alles ablesen, was man über die Familiendynamik der Roosevelts wissen muss. Sara und Franklin saßen am Kopf der Tafel. In der beeindruckenden holzgetäfelten Bibliothek standen zwei gepolsterte Sessel gleicher Machart rechts und links vom Kamin. Der eine gehörte Franklin, der andere Sara. Weiß Gott, wo Eleanor saß, wahrscheinlich am Ufer des Hudson River, wo sie gegen den Drang ankämpfte, sich in die Fluten zu werfen.
    »Fast vierzig Jahre lang war ich hier nur eine Besucherin«, schrieb sie später über Springwood.
    1918 kam Franklin mit einer Lungenentzündung von einer Reise zurück, also packte Eleanor seine Koffer für ihn aus. Darin fand sie ein Bündel Liebesbriefe, die an Franklin adressiert waren. Sie erkannte die Handschrift sofort – es war die von Lucy Mercer, Eleanors Sekretärin. Das war wieder mal ein Beispiel für Franklins Dreistigkeit. Es ist eine Sache, wenn ein Mann seine Frau mit seiner Sekretärin betrügt, aber wer seine Frau mit ihrer Sekretärin betrügt, bewegt sich schon auf einem ganz anderen Terrain. Zu diesem Zeitpunkt waren Eleanor und er seit dreizehn Jahren verheiratet, und sie hatte ihm sechs Kinder geschenkt (von denen eines im Säuglingsalter starb). Eleanor bot Franklin die Scheidung an, doch Sara schritt ein, weil sie wusste, dass ein derartiger Skandal die politische Karriere ihres Sohnes ruinieren würde. Sie drohte, ihn zu enterben, falls er diesen Plan

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