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Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)

Titel: Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Hancock
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war.
    Ich blickte hinunter. Die Erde war immer noch traumartig weit entfernt, richtig unrealistisch sah das aus. Andererseits waren meine baumelnden Beine extrem realistisch. Meine schwarze Hose, die Nike-Schuhe – sie waren irgendwie viel zu scharf und hatten viel zu starke Farben. Sie wirkten richtig deplaziert vor dem Hintergrund des Erdbodens mit seinen sanften Farbtönen. Der Anblick erinnerte mich an Szenen aus Filmen der Sechzigerjahre, in denen man die Schauspieler vor einem vorher abgefilmten Hintergrund agieren ließ und Wind durch einen Ventilator simulierte.
    »Ich hab’s geschafft!«, quietschte ich.
    »Hier, halt mal«, bat Timothy und gab mir die Griffe in die Hand, mit denen man den Fallschirm lenken konnte. »Ich mach mal die Schnalle an deiner Hüfte los, damit dich das Geschirr von unten nicht so einschnürt.«
    Bevor ich etwas sagen konnte, hatte er den Gurt gelöst, und ich sackte eine Handbreit nach unten. Ein paar panische Momente lang, dachte ich, dass ich abstürzen würde. Dann wurde ich von den Schultergurten aufgefangen, die unter meinen Achseln durchliefen. Ich sah auf die Griffe, die ich mit aller Kraft festhielt. Alle hatten behauptet, das Stück mit dem Fallschirm sei das Schönste, aber jetzt blickte ich hoch und dachte. Was passiert, wenn ich die Griffe jetzt versehentlich loslasse? Plumpsen wir dann einfach runter?
    »Jetzt zieh mit der linken Hand und steuer uns nach links«, wies Timothy mich an.
    »Wenn ich ehrlich sein soll – es wäre mir lieber, wenn du lenkst.«
    Er griff nach den Leinen. »Okay, du kannst loslassen.«
    »Hast du sie?«, vergewisserte ich mich.
    »Ich hab sie.«
    »Ganz sicher?«
    »Ganz sicher.«
    Ich blickte trotzdem noch einmal nach oben, um sicher zu gehen, dass er sie festhielt, bevor ich meine Hände löste. Bill und sein Fallschirm waren ungefähr hundert Meter entfernt und lagen völlig horizontal in der Luft, während Sebastian sie in wilden Spiralen nach unten lenkte. Sie fielen schnell, viel zu schnell.
    »Oh nein!«, rief ich. »Sind die beiden in Schwierigkeiten?«
    Timothy lachte. »Nein, Sebastian muss bloß mal wieder den Draufgänger raushängen lassen.«
    Ich seufzte erleichtert. »Okay, aber bitte … mach das nicht mit mir, ja?« Stattdessen ließen wir uns für ein paar wundervolle Minuten einfach nur hängen.
    Als die Landebahn unter uns erschien, sah ich Chris, Jessica und Bill – der zwar nur zwanzig Sekunden vor mir gesprungen war, aber wegen seines wilden Spiralflugs volle fünf Minuten vor mir gelandet war –, wie sie auf und ab sprangen und mir zujubelten.
    »Es ist windig heute, deswegen werden wir ziemlich schnell runterkommen«, warnte Timothy. »Je nachdem, wie unsere Position ist, wenn wir landen, sag ich dir in letzter Sekunde, ob du sitzend oder stehend landen sollst.«
    Alter Schwede, wir landeten wirklich schnell. Ich meine, so richtig schnell. Es kam mir vor, als müsste ich gleich aus einem fahrenden Auto springen. Als wir ungefähr auf Baumhöhe waren, fragte ich nervös: »Sitzen oder stehen?« Keine Antwort.
    »Sitzen oder stehen?«, schrie ich panisch. Der Boden war nur noch drei, vier Meter entfernt.
    »Sitzen!«, kommandierte Timothy. Ich zog die Beine an, während Timothys Schuhe den Boden suchten und schließlich mit einem Ruck aufkamen.
    »Du hast es geschafft!«, quietschte Jessica, die mit Chris auf mich zugerannt kam.
    Ich war zu überwältigt, um irgendetwas zu sagen. Ich brachte nur eine Mischung aus Lachen und Pferdegewieher heraus.
    Bill hatte sein Geschirr schon abgenommen und trank eine Limo. »Schön, dass du wieder da bist, Hancock«, sagte er und warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich wusste, dass er nicht das Skydiving meinte, sondern unsere Diskussion nach dem Käfigtauchen, als er mir auf den Kopf zusagte, dass ich mich verändert hatte.
    »Dein Spiralflug sah toll aus!«, sagte ich.
    »Ich hatte eine Scheißangst«, gab er zu, allerdings so leise, dass nur ich es hören konnte. »Aber ich dachte, wenn ich was sage, macht er nur noch schneller.«
    Sie überreichten uns unsere Diplome, und wir machten noch ein Gruppenfoto vor dem Skydiving-Schild. Dann klatschte Bill in die Hände und sagte: »Na, Leute, wollen wir noch schnell ein Nacktfoto machen?«
    Eine halbe Stunde später waren wir wieder am Bahnhof. Der Bahnsteig war unter freiem Himmel, aber wir saßen auf einer Bank in einem überdachten Wartebereich. Zwischen den Plexiglaswänden vibrierte eine überdrehte Atmosphäre. Bill

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