Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
kannst du davon bringen?«
»Nur die Tat, keine Aussagen von der Polizei. Eine Meldung für die Nachrichten.«
Susanne überlegte einen Moment. Emma stand vor ihr und beobachtete sie. Seit wann entschied sie das alleine? Wo war Schneider? Dann sagte die Redakteurin:
»Der Brand ist für die Berliner wichtiger. Wir nehmen dich auf die Zwei. Kriegst du die Pressekonferenz und den Rest in einer Meldung unter?«
Emma nickte.
Susanne drehte sich zu ihrem Schreibtisch und nahm wieder das Telefon zur Hand. Über die Schulter sagte sie:
»Denk an den Zeitbezug. Oder mach besser noch einen Aufsager für morgen früh.«
Emma stand auf und ging zu ihrem Platz zurück. Der Cursor blinkte. Aber Emma nahm zuerst den Telefonhörer in die Hand und wählte die Durchwahl der Verkehrszentrale.
»Ja?« Arianes Stimme klang gehetzt. Rushhour, Feierabendverkehr. Hochbetrieb für den Verkehrsfunk.
»Ariane, ich stör dich nur ganz kurz. Hier ist Emma. Kannst du mir sagen, ob es einen Blitzer gibt auf der B5 Richtung Hoppegarten?«
Ariane stöhnte. »Wie dringend brauchst du’s?«
»Nicht dringend. Irgendwann in der nächsten halben Stunde?«
»Ok. Ich schick dir ’ne Mail.«
Emma bedankte sich und legte auf. Ein Blick auf die Uhr: noch zwanzig Minuten bis zur Sendung. Sie holte tief Luft und zog die Tastatur ran.
Als Leadsatz für den Nachrichtensprecher wählte sie den Anschlag auf den Pastor. Aktuell geht vor. Fokus auf den Zustand des Verletzten, mögliche Täter?
»Die Polizei ermittelt im Drogenmilieu. Hans Brinkmann ist der Vater des Berliner Neonazis Lukas Brinkmann, der vergangenen Sonnabend ermordet in seiner Wohnung gefunden wurde.«
Damit der Schlenker zur Pressekonferenz. Hinweis auf die Wahl in 14 Tagen, Ende.
Emma stellte die Meldung in den allgemeinen Speicher, ging ins Tonstudio und sprach sie auf. Am Nachrichtentisch saß Andreas. Sie legte ihm ihre Hand auf die Schulter.
»Die Meldung ist im Speicher.«
Er sah irritiert hoch, dann grinste er und nickte.
»Muss ich es noch mal abhören?«
»Wenn du mir vertraust, nicht.«
Er stand auf und tippte noch im Stehen die letzten Worte seines Textes.
»Spitze. Kommste mit, dann geh ich noch schnell eine rauchen.«
Emma nickte und holte ihre Geldbörse aus der Jackentasche an ihrem Schreibtischstuhl. Im Eilschritt gingen sie die Treppe hoch an der Kantine vorbei auf die Dachterrasse. Höchstens fünf Minuten blieben Andreas, bevor er wieder hinunterhetzen musste. Alle halbe Stunde war er mit einer neuen Sendung on air, dazu Wetter, Börse und Verkehr, alle drei Stunden noch ein Livegespräch mit dem Ü-Wagen. Manchmal schaffte er es in der Zwischenzeit kaum auf die Toilette.
Oben standen schon ein paar Süchtige, traten in ihren Bürohemden vor Kälte von einem Fuß auf den anderen und zogen an ihren Kippen. Andreas nahm eine Zigarette aus der Packung, steckte sie an und zog tief den Rauch ein. Er bot Emma eine an, sie schüttelte den Kopf. Sie plauderten über die Studiogäste des Tages, Andreas erzählte von einem Konzert, auf dem er gewesen war, und von einem neuen Kinofilm, auf den er sich seit Wochen freute. Emma hörte zu und dachte, dass ein bisschen mehr Normalität ihrem Leben guttun würde. Dann fragte sie:
»Hast du Schneider gesehen?«
»Nee, der ist schon weg.«
Emma wunderte sich. Der Chefredakteur blieb doch sonst immer bis zum Schluss.
»So früh schon?«
Andreas zuckte die Achseln und nahm noch einen Zug von seiner Zigarette.
»Scheint’s ja gar nicht abwarten zu können, von hier wegzukommen. Aber nach so viel Dienstjahren – ich hätte auch keinen Bock mehr, glaube ich.«
Emma merkte, wie sich etwas in ihrem Magen zusammenzog.
»Wie meinst du das?«
»Na, Schneider geht doch. Vorruhestandsregelung. Hat der Chef heute Morgen erzählt. Warst du nicht in der Frühsitzung?«
Emma schüttelte stumm den Kopf. Sie sah vorsichtig zu Andreas, ob er sie auf den Arm nehmen wollte, aber er scherzte gerade mit einer Kollegin aus der Werbeabteilung, die mit einem Becher Kaffee quer über die Dachterrasse zu ihrem Büro ging, und achtete gar nicht auf sie. Konnte es sein, dass Schneider, ihr Onkel, einfach so das Feld räumte und ihr nichts davon sagte?
»Seit wann weißt du das?«
Andreas nahm noch einen Zug und drückte die halbgerauchte Zigarette vorsichtig im Sandascheneimer aus.
»Na seit heute Morgen. Wir haben alle blöd geguckt. War wohl ganz kurzfristig, sonst spricht sich ja so was auch rum.«
Er knickte die verkohlte Spitze
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