Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
kannte. Mit schnellen Schritten, das Blatt fest in ihrer Hand, ging sie zu ihrem Platz. Wer hatte sie auf den Freund aufmerksam gemacht? Nur der Pastor, Lukas Vater. Und er war ein Mann, der den Menschen in seiner Umgebung gern eigene Namen gab. Namen, die seiner Meinung nach passten.
Emma tippte den Namen Thomas in die Suchmaschine und drückte auf Enter. Sie ging auf eine Seite, in der die Bedeutungen von Namen erklärt wurden. Ihre Finger zitterten, als sie das Alphabet bis zum T hinunterfuhr. Da stand es. Thomas, der Zwilling.
»Und, was gefunden?«
Emma schreckte hoch, Bente stand vor ihr und sah interessiert auf das Blatt in ihrer Hand.
»Ja, vielleicht. Lass mich erst …«
Emma wählte Blumes Handynummer. Bente sah sie noch einen Moment fragend an. Als es läutete, drehte sich Emma leicht weg, und Bente verstand den Wink. Sie ging zurück an ihren Platz.
»Ja?«
Es war Johann. War Blume etwa immer noch dort? Und wieso war der Junge nicht im Bett?
»Hallo Johann, hier ist Emma. Ist dein Papa noch da? Kann ich ihn sprechen?«
»Ja, der ist noch da.«
»Dann gib ihn mir mal.«
»Nö.«
Sie holte tief Luft. »Johann, das ist jetzt wirklich wichtig. Ich muss mit ihm reden.«
»Papa ist bei Mama. Sie schmusen. Und jetzt ist die Tür zu. Ich hol ihn nicht!« Emma starrte auf den Hörer. Johann hatte aufgelegt. Sie wurde wütend, sie spürte, wie das Blut ihr in den Kopf stieg. Noch ein anderes Gefühl machte sich dumpf in ihrer Magengegend bemerkbar. War das nur ein Spiel von Johann? »Emma?« Sie sah hoch. Bente beobachtete sie mit gerunzelter Stirn. Um Zeit zu gewinnen, sammelte Emma langsam die herumfliegenden Blätter aus dem Faxgerät zusammen und legte sie auf einen Haufen. Sie schluckte ein paar Mal heftig.
»Emma, rede mit mir. Was ist los?«
Emma schüttelte den Kopf. »Es ist nichts, nur, ich kann Blume nicht erreichen. Er …«, sie stockte, strich über die Blätter, »geht nicht ans Telefon.«
Ihr Handy klingelte, und Emma hätte am liebsten aufgeschrien vor Erleichterung. Johann, dachte sie, während sie in ihrer Tasche nach dem Telefon wühlte, ich bring dich um, wenn ich dich das nächste Mal sehe! Ich kitzel dich …
»Ja?«
Ein leises Lachen, über das sie sich zu jedem anderen Zeitpunkt gefreut hätte. Jetzt sank ihr das Herz.
»Frau Emma! Sie wollten mich sprechen?«
»Ja, ich …«, sie räusperte sich, »ich würde Ihnen gerne etwas zeigen.«
»Oh. Augenblick bitte.« Emma hörte, wie Weiß den Hörer zur Seite legte und mit jemandem im Raum sprach. Sie holte tief Luft und verdrängte den Gedanken an Blume. Dann war er wieder am Apparat.
»Ich hoffe, es ist etwas Schönes!«
»Leider nein. Ich werde bedroht und wüsste gern, mit wem ich es zu tun habe.«
Sofort wurde Weiß ernst.
»Ich habe gleich noch eine Besprechung. Sagen wir in einer halben Stunde in der Letzten Instanz.«
Jetzt musste Emma doch lächeln.
»Letzte Instanz? Wo ist das denn?«
»Bei Ihnen um die Ecke. Sie scheinen nicht viele Juristen in Ihrem Freundeskreis zu haben, sonst würden Sie die Kneipe kennen.«
»Kann man denn mit Juristen befreundet sein?«
»Frau Emma, Sie flirten ja mit mir. So ist es recht, lassen Sie sich bloß nicht von denen unterkriegen.«
Wieder lachte er leise. Emma sah sein Gesicht mit den Clownsfalten vor sich. Sie sagte:
»Wir sehen uns in einer halben Stunde. Ich werde Ihre komische Kneipe schon finden.«
Emma legte auf. Sie öffnete ihren Mailaccount am Com puter und druckte den Blogeintrag aus, den Bente ihr geschickt hatte. Dann stopfte sie ihn in ihre Tasche und zog sich die Jacke an.
»Hinter dem Amtsgericht Mitte. Waisenstraße.«
Emma sah hoch, aber Bente starrte weiter auf ihren PC .
»Was denn?«
»Zur letzten Instanz.« Bente sah sie immer noch nicht an. Sie tippte jetzt eine Nummer auf ihrem Telefon ein.
»Die Kneipe. Da musst du doch hin, oder?«
»Ja. Danke.«
Bente nickte nur und lauschte in den Hörer. Emma verließ rasch das Büro. Im Flur verschwand sie noch kurz auf der Toilette. Sie wusch sich die Hände und strich sich mit den Fingern durch das kurze Haar. Sei nicht albern, sagte sie zu ihrem Spiegelbild.
Brandenburg, Hofsmünde
B ürgermeister Christian Eichwald stand von seinem Schreibtisch auf und zog sich sein Jackett an. Es war kalt im Raum. Gegen 18 Uhr wurden automatisch die Heizungen heruntergeregelt, er selbst hatte das durchgesetzt. Damals erschien ihm die Kampagne – wir sparen bei uns zuerst – als guter Schachzug: wenig
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