Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
romantisch, aber damals war das nicht ungefährlich. Wir waren eh im Visier der Stasi, die warteten ja nur auf so was.«
»Herr Hufke, diese Umweltblätter – kann ich mir die ansehen?«
»Leider nein.« Er schwieg einen Moment. Schnell fragte Emma:
»Warum nicht?«
»Weil es sie nicht mehr gibt. Einen Monat nach dem Überfall stürmte die Stasi unsere Räume. Wir wurden festgenommen und die meisten Unterlagen beschlagnahmt, wie es so heißt. Sie sind nie wieder aufgetaucht.«
Emma atmete tief aus vor Enttäuschung. »Was passierte mit Ihnen?«
»Wir kamen bald wieder frei, es gab Proteste. Aber mein Studium konnte ich erstmal vergessen.« Jetzt lachte er leise.
»Sie konnten uns trotzdem nicht stoppen. Der Rest ist Geschichte, wie man so sagt.«
»Ja. Das sagt man wohl so.« Nachdenklich malte Emma Kreise auf das Blatt vor ihr. »Herr Hufke, können Sie sich im Zusammenhang mit den Verhaftungen an jemanden erinnern, der Thomas hieß?«
»Thomas?« Der Wissenschaftler dachte einen Moment nach, Emma hielt den Atem an. Sie hörte, wie er aufstand. Eine Tür bewegte sich, etwas Geraschel, dann Stille. Kurze Zeit später war er wieder da.
»Tut mir leid. Ich dachte, da wäre was, aber ich hab mich doch geirrt. Es ist alles schon wieder ganz schön lange her, nicht wahr.«
»Ja. Haben Sie die Unterlagen denn bei sich zuhause?«
»Wissen Sie, wenn man so etwas erlebt hat, dann traut man keiner öffentlichen Stelle mehr.«
»Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
»Warten Sie! Wen suchen Sie denn konkret?«
Emma zog ihr Notizbuch zu sich heran und blätterte darin.
»Einen Jugendlichen, der am Überfall beteiligt war. Ich weiß nur, dass er Thomas hieß und später verhaftet wurde.«
»Komisch. Mir ist keiner bekannt in dem Zusammenhang.«
»Er saß ein halbes Jahr. Und ist danach ausgewiesen worden. Muss im Frühjahr ’88 gewesen sein.«
»Das kann uns vielleicht weiterhelfen.«
Wieder hörte Emma die Rollen des Schreibtischstuhls. Bente streckte sich auf ihrem Platz, die Fingerknöchel knackten. Sie sah zu Emma rüber. Dann war Hufke wieder am Apparat.
»Wir haben hier eine Auflistung der Leute, die in den Westen abgeschoben wurden. 1988 waren auch ein paar dabei, die Thomas heißen. Ich hab das nicht online, aber ich könnte es fotokopieren und Ihnen rüberfaxen.«
»Herr Hufke, das wäre sehr hilfreich.«
Sie nannte ihm die Faxnummer im Büro, bedankte sich und legte auf. Bente sah sie an, und Emma begegnete nachdenklich ihrem Blick.
»Der Pastor hat mir davon erzählt. Warum kommt er mit dieser alten Geschichte? Was will er mir damit sagen?«
»Frag ihn doch.«
»Sehr witzig. Er liegt im Koma.«
Bente verzog das Gesicht. »Vergessen.« Sie rollte nachdenklich ihren Stift zwischen den Fingern. »Was glaubst du? Beichtgeheimnis?«
»Weiß nicht. Ist das nicht aufgehoben bei einem Mord? Außerdem sagt er doch dauernd, dass er kein Pastor mehr ist.«
»Vielleicht hat er selber ein schlechtes Gewissen.«
Emma nickte vorsichtig. Sie stand langsam auf und ging zum Platz des Redaktionssekretärs. »Als ich am Sonntag bei ihm war, hat er mir erzählt, dass er an allem schuld sei. Lukas habe nur aus Liebe zu ihm so gehandelt.«
Bente zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder ihrem Computer zu. »Ehrlich gesagt klingt das für mich nach krasser Selbstüberschätzung.«
Das Faxgerät begann zu blinken. Emma starrte darauf und murmelte:
»Keine Ahnung, ob ich mich da verrenne, aber ich glaube, irgendwas an dieser alten Geschichte spielt da mit rein. Ich muss nur noch rausfinden, was es ist.«
Bente gähnte. »Mir scheint das, ehrlich gesagt, ziemlich dünn. Ich mach gleich Feierabend. Solltest du auch.«
Emma reagierte nicht, sondern starrte auf das Faxgerät. Als das erste Blatt herauskam, musste sie sich zusammenreißen, um es nicht vorzeitig aus dem Gerät zu reißen.
Sie überflog es, während das Fax weitere Blätter mit langen Namenslisten ausspuckte. Beim zweiten Blatt gab es einen Thomas, beim dritten gleich drei. Emma seufzte, ihr Mut sank. Jetzt lag es an ihr, diese Namen zu überprüfen. War einer von ihnen aus der Gegend um Hofsmünde, hatte er Lukas gekannt, war er in der Szene gewesen? Mühselige Arbeit, die vermutlich nirgendwohin führte.
Das Faxgerät schwieg, ein letztes Blatt lag in der Ablage. Emma griff zu und überflog es. Kein Thomas. Sie wollte es schon wieder weglegen, da stockte ihr Blick und blieb an einer Zeile hängen. Ein Name stand dort, den sie
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