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Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Es sei nicht einzusehen, dass das einzige öffentliche Gebäude hier dauerhaft leer stehe.«
    Die Stimme des Pastors war schärfer geworden. Emma sah, wie der alte Mann seine Fäuste vor Wut ballte.
    »Jetzt saufen sie dort und grölen ihre Lieder. Eine Schande ist das!«
    Der Pastor hielt sich an der Küchenzeile fest. Er atmete heftig. Eine Weile sagte niemand etwas.
    Emma fingerte an dem Mikrofonständer herum und murmelte dann:
    »Es tut mir sehr leid. Das mit Ihrem Sohn.«
    Der Mann nickte, ohne sich umzudrehen. Dann wischte er sich mit einem großen Taschentuch über das Gesicht.
    Aufgeschreckt vom Lärm der Maschine streckte sich die Katze und sprang vom Ofen. Sie landete elegant auf der Holzbank und stupste Emma mit ihrer Nase an. Emma streichelte das weiche Fell. Schnurrend ließ die Katze sich bei ihr nieder.
    Der Pastor schien sich wieder gefangen zu haben. Er nahm die Kanne mit dem Kaffee vom Herd und stellte sie vor Emma auf eine alte Kachel. Mit einem Nicken zu der Katze hin sagte er:
    »Ich hoffe, sie stört Sie nicht.«
    Emma lächelte.
    »Nein, gar nicht. Wir hatten zuhause auch eine Katze. Aber sie wollte immer nur bei meiner Schwester Ida schlafen. Wenn sie in der Nähe ist, hab ich bei Tieren keine Chance.«
    »Ist Ihre Schwester auch Journalistin?«
    Die Katze legte sich auf den Rücken und streckte die Beine von sich.
    »Meine Schwester ist noch klein, zehn Jahre.«
    Emma kraulte den Bauch der Katze. Das Schnurren wurde lauter.
    »Sie ist behindert. Sie hat das Down-Syndrom.«
    »Es heißt immer, solche Kinder machen viel Freude.«
    Der Pastor füllte den Kaffee in zwei Tassen.
    »Stimmt das, oder ist das nur ein verlogener Trost für die Eltern?«
    Emma zog langsam die Tasse zu sich heran und runzelte die Stirn.
    »Ida macht viel Freude und viel Arbeit. Wie jedes Kind.«
    Der Pastor lachte leise und häufte sich Zucker in seine Kaffeetasse. Dann setzte er sich Emma gegenüber und sah sie forschend an.
    »Emma und Ida, schöne Namen. Ihre Eltern haben das gut ausgesucht.«
    Die Katze, die jetzt nicht mehr gestreichelt wurde, sprang von der Bank und inspizierte ihren Fressnapf hinter der Tür. Emma schob ihr Aufnahmegerät über den Tisch und schaltete es ein.
    »Herr Brinkmann, am Telefon hatten Sie gesagt, Sie wollen mir von Ihrem Sohn erzählen?«
    »Wissen Sie, was Ihr Name bedeutet?«
    Emma überlegte einen Moment, ob sie die Frage ignorieren sollte, entschloss sich dann aber, dem Mann die Atempause zu geben. Sie sagte:
    »Ich glaube, allumfassend, alles wissend.« Sie lachte. »Schön wär’s.«
    Der Pastor nickte und rührte in seinem Kaffee.
    »Der Name ist stammesverwandt mit Emanuela, das kommt aus dem Hebräischen und heißt ›Gott ist mit uns‹.«
    »Das wusste ich nicht. Meine Mutter sagte, sie hätte mich nach der Bremer Gräfin Emma von Lesum benannt. Sie soll den Armen viel geschenkt haben. Es gibt ein schönes Bild von ihr in einem Kirchenfenster bei uns. Das hab ich mir als Kind immer angeschaut, wenn ich mich bei der Predigt langweilte.«
    Sie stockte und hoffte, den Pastor nicht beleidigt zu haben. Aber er lächelte nur und nahm einen Schluck vom Kaffee. Ein brauner Tropfen blieb in seinem Bart hängen. Er holte ein kariertes Taschentuch aus seiner Hosentasche und fuhr sich damit mehrfach über den Mund. Unvermittelt sagte er:
    »Lukas hat sich auch immer in der Kirche gelangweilt.«
    Emma hörte auf zu lächeln. Mit einem Seitenblick kontrollierte sie den Pegel des Aufnahmegerätes. Dann schwieg sie und wartete ab. Der Pastor wischte sich mit der Hand über die Augen.
    »Er hatte es nicht leicht.«
    Emma fragte:
    »Wieso nicht?«
    »Er war ein sehr gefühlsbetonter Mensch. Für ihn gab es nichts Halbes.«
    Der Mann lachte unfroh.
    »Entweder war man voll und ganz für ihn, oder man war ein Feind.«
    Emma sagte: »Das klingt so, als wäre es schwer gewesen, mit ihm zu leben.«
    »Das war es auch.«
    Er stand auf und ging um den Tisch herum ans Fenster, zog die Gardine zur Seite und sah hinaus. Emma drehte sich um. Die Straße lag verlassen da.
    »Haben Sie jemandem vom Tod Ihres Sohnes erzählt?«
    Brinkmann sah sie erstaunt an, schüttelte den Kopf und setzte sich wieder. Die Katze strich ihm um die Beine, und er langte hinunter und streichelte sie.
    »Die wissen das bestimmt schon.«
    »Wer, die?«
    Er stand wieder auf und machte sich an der Spüle zu schaffen.
    »Wollen Sie was essen? Ich hab nicht viel hier, aber …«
    Emma seufzte. Sie fühlte jetzt, dass der Tag lang

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