Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen

Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen

Titel: Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Gerberding , Evelyn Holst
Vom Netzwerk:
überfordert, Mami und Papi. Niemand da, der »Du siehst müde aus, Schatz, darf ich dir einen heißen Tee mit Honig bringen?« sagt. Dafür alle, die auf die rein rhetorische Frage »Ist es nicht wunderschön, ein Kind zu haben?« keine ehrliche Antwort erwarten. Dabei würde es den Neu-Eltern viel mehr helfen, wenn sie einfach einmal pro Tag die Fenster weit öffnen und »Ich bin am Ende! Ich will mein altes Leben zurück!« schreien dürften. Danach wären sie vermutlich viel entspannter.
    Es ist nämlich richtig viel psychologischer Druck, der sich aufbaut, wenn zwei Menschen, deren Leben bisher um Karriere,
Freizeit und die Frage »Wie machen wir uns das Leben noch schöner?« kreiste, plötzlich rund um die Uhr für ein anderes Wesen zuständig sein müssen. Und es nicht mehr um ihre Lust oder ihre berufliche Selbstverwirklichung geht, sondern ganz einfach nur ums Überleben. Um das ihres Kindes nämlich.
    Die typische Lifestyle-Familie mit Mitte dreißig: Die Eltern sind hip, sie haben den richtigen Bugaboo-Kinderwagen, die tollen Baby-Accessoires und das Bild im Kopf, dass sich trotz Kind so wenig wie möglich ändert. Eigentlich gar nichts. Besser noch, dass sich mit dem Baby erst das wahre Lebensglück einstellt, denn die Bilder, die werdende Eltern im Kopf haben, sind hartnäckig und vor allem sind sie rosarot mit Glitzersternchen.
    Glückliche Eltern, die ihr friedlich schlafendes Kleinkind überall mit hinnehmen. Es schläft im Kino, im Restaurant, bei Freunden – es schläft eigentlich die meiste Zeit, wenn es nicht gerade lächelt, schnurzelig seine Holzspielzeuge hin-und herschiebt oder einfach nur niedliches Babysein verströmt. Ein Baby mit hohem Wohlfühlfaktor, so beruhigend wie Meeresrauschen oder Kaminfeuerknistern. Niemand, der ein Kind erwartet, jedenfalls wenn es das Erste ist, sieht sich im Geiste nächtelang mit einem Koliken-Schreihals durch die Wohnung laufen, ein paar Jahre später nachmittags auf nass geregneten Hüpfburgen herumspringen, den Anruf des Kaufhausdetektivs entgegennehmen, der sein Kind beim Klauen erwischt hat – nein, nichts davon taucht in unseren pränatalen Fantasiebildern auf. Nur schneeweiße Schäfchenwölkchen an einem blitzeblauen Himmel. Wir sind die Rama-Familie.
    Und dann ist das Kind da – und alles ist anders. ALLES.
    Nichts ist mehr wie früher. NICHTS.
    Und es wird auch nie wieder wie früher sein.
    NIE WIEDER.
    Unser Kind ist da.

    Und wir werden es lieben. [Ref16]
    Und es wird uns glücklich machen.
    Aber es wird uns auch Kummer und Sorgen bereiten.
    Immer beides – Glück und Sorge. Stolz und Kummer.
    Freude und Ärger.
    Ein Leben lang.
    Wer sagt, dass Kinder glücklich machen?
    »Das tun sie, weiß Gott, nicht immer«, sagt Hanna, 48. »Ich finde meine beiden Söhne, sechzehn und einundzwanzig, manchmal furchtbar anstrengend. Vor allem sind sie so streitsüchtig. Wir sind beim Abendessen, alles ist friedlich, einer fängt an, der andere kontert, plötzlich ist ein Riesenzoff da, alle schreien sich an, einer verlässt türenknallend die Küche, ich hasse es! Kürzlich habe ich gelesen, dass Eltern im Durchschnitt depressiver sind als Nichteltern. Ich beobachte das auch in meinem Freundeskreis, die Kinderlosen gehen viel liebevoller miteinander um, sie unternehmen mehr, haben mehr Spaß. Aber keiner spricht es aus. Alle erwarten, dass man als Mutter immer so tut, als ob einem das Glück aus allen Poren trieft.«
    Dass kinderlose Paare glücklicher sind als Eltern, bestätigt sogar die Wissenschaft. Ausnahmen bilden Paare, die sehr reich sind. Eltern mit durchschnittlichem Einkommen stehen dagegen ständig unter Zeitdruck, werden von Geldsorgen oder Sorgen um den Job geplagt. Kein Wunder also, dass sich vierzig Prozent aller Eltern im ersten Jahr mit Kind trennen.
    Auch der Soziologieprofessor Ruut Veenhoven, Herausgeber des Journal of Happiness Studies , meint, dass junge Eltern über die Konsequenzen der Kinderaufzucht oftmals falsch informiert seien. Mütter und Väter, die selbst gern Großeltern wären, erzählten ihren Kindern deshalb häufig Märchen.

    Ist Elternsein ein Glücksschub?
    Und so wird das Märchen vom vorbehaltlosen Kinderglück einfach von Generation zu Generation weitergegeben. Der Glücksschub ist natürlich da, wenn die Geburt gut gelaufen ist, das Paar das Baby in den Armen hält, doch dann kommt der Alltag, und der heißt nicht mehr: »Schatz, was kann ich dir Gutes tun?« Der heißt: »Schatz, jetzt bist du mal dran!«

Weitere Kostenlose Bücher