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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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einmal zu der Frage veranlasst haben, wieso Martha sich davor
     fürchte, von den Nachbarn gegenüber bei einer so banalen, geheimnislosen Tätigkeit wie dem Kochen beobachtet zu werden, eine
     Frage, auf die Martha sicherlich irgendetwas geantwortet hat, aber sie weiß nicht mehr, was, jedenfalls wohl nichts, was Barbara
     befriedigt hat, denn sie hat Martha über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder aufs Neue darauf hingewiesen, wie absurd
     sie diese
Tülllappen
fände.
    Staubfänger, Martha, sonst nichts.
Staubfänger hat Barbara gesagt
.
Daran erinnert sie sich.
    Ja, du hast ja recht.
    Willst du sie nicht einfach abnehmen?
    Mal sehen.
    Du hättest viel mehr Tageslicht in der Küche. Im Wohnzimmer übrigens auch.
    Ja, vielleicht.
    Aber natürlich hat Martha die Stores nicht abgenommen, schließlich lebt
sie
in dieser Wohnung, nicht Barbara,
sie
muss sich in die Fenster gucken lassen, nicht Barbara, die mit Manuel im vierten Stock ohne Gegenüber wohnt und leicht reden
     hat. Dann wendet Martha sich wieder den Spaghetti zu, plötzlich weiß sie nämlich wieder, wie alles funktioniert, es ist, als
     hätte sich in ihremKopf eine Nebelwand gehoben, und die Erleichterung darüber ist so groß, dass sie ihrerseits schon wieder etwas Beängstigendes
     hat, aber diesen Gedanken schiebt Martha jetzt energisch weg und macht sich ans Werk.
     
    Eine Stunde später stehen beide vor dem Haus. Sie sind zu spät dran, das bedeutet, dass Martha die fertigen Spaghetti im Ofen
     warm stellen musste, was ihnen bestimmt nicht gutgetan hat, und so drückt sie seufzend auf den Öffner, hört die Tür unten
     aufgehen und wieder zufallen und dann hallende Schritte im Treppenhaus und eine gemurmelte Unterhaltung, aber natürlich sind
     ihre Ohren längst zu schlecht, als dass sie etwas verstehen könnte.
    Sie bleibt in der Tür stehen und wartet geduldig. Ihr rheumageplagtes rechtes Knie schmerzt heute schlimmer als sonst, vielleicht
     weil sie Manuel nun zum letzten Mal für lange Zeit sehen wird. Das Knie reagiert wie ein zuverlässiger Seismograf auf alle
     Veränderungen ihres Lebens, das fängt mit dem Wetter an und hörte mit Harrys Tod noch längst nicht auf. Und als hätte die
     Zeit einen winzigen Sprung gemacht, nimmt sie unvermutet jemand in den Arm, und das ist eindeutig Barbara. Martha riecht ihr
     schweres, vanilliges Parfum, ihre Umarmung fühlt sich herzlicher und wärmer als sonst an, wahrscheinlich weil sie sich heute
     zum letzten Mal sehen.
    Manuel umarmt Martha wie üblich nicht, sondern gibt ihr einen distanzierten Kuss auf die Wange. Sie schließt die Tür hinter
     ihm und geht voraus ins Esszimmer, innerlich auf Zehenspitzen, denn sie spürt seine Gereiztheit, obwohl er versucht, nett
     zu sein, sich zusammenzunehmen, nicht gleich wieder mit seiner Kritik ins Haus zu fallen.
    »Es riecht gut«, sagt Barbara hinter ihr.
    »Ja. Ich musste die Nudeln in den Ofen stellen, ich hoffe, sie sind nicht zusammengeklebt.«
    »Bestimmt nicht«, sagt Manuel mit einem Nachdruck, der jede weitere Bemerkung verbietet. Natürlich erwähnt er die halbstündige
     Verspätung mit keinem Wort, ganz der Vater selig, der sich eher die Zunge abgebissen hätte, als sich zu entschuldigen. Der
     Tisch ist bereits gedeckt, zur Feier des Tages mit dem guten schneeweißen Porzellan und den Kristallgläsern, die man mit der
     Hand spülen muss, weil sie in der Maschine weiße Ränder bekommen. Weder Barbara noch Manuel kommentieren diesen festlichen
     Anblick, der angesichts der Umstände irgendwie etwas Unpassendes hat, aber bevor sich Martha darüber Sorgen machen kann, hilft
     ihr Barbara, die Nudeln und die aromatisch duftende Fleischsauce ins Esszimmer zu tragen. Manuel hat Weißwein eingeschenkt,
     und nun bedienen sie sich alle bei den Nudeln und der Soße und essen schweigend, weil es absolut kein Thema gibt, das sich
     nicht früher oder später als Minenfeld erweisen würde. Barbara stochert in den Nudeln herum, rollt sie beinahe einzeln auf
     die Gabel und kaut an diesen Bissen herum, als handelte es sich um zähes, faseriges Fleisch, lässt schließlich die Hälfte
     übrig und sagt, dass sie nicht mehr könne.
    »Dann lässt du’s eben bleiben«, sagt Manuel, und in Marthas Ohren hört sich das unangemessen bösartig an, aber sie sagt nichts,
     sie mischt sich in solchen Fällen niemals ein, weil das gar keinen Sinn hat. Manuel kann man nicht ändern, er ist und bleibt
     ein anstrengender Mensch, genauso wie sein Vater.

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