Wer spart, verliert
wollte, fiel mir ein Bericht aus einer Zeitung ein, in dem ich von der Ermordung eines Mädchens gelesen hatte – wegen des Geldes, das sie bei sich trug. Also verstaute ich das Geld, in der gewohnten Manie meines Vaters, in verschiedenen Täschchen und Medizinröhrchen und verteilte diese strategisch in meinem Rucksack. Und eskam, wie es kommen musste: Der Rucksack kam in Frankfurt nicht an.
Er tauchte ein paar Tage später auf – wertsachenfrei. Das Geld war weg. Dieser Verlust hat so richtig wehgetan. Mir Sparfuchs!
Nun kann man das als einmalige Geschichte verdrängen und abhaken nach dem Motto »Passiert jedem einmal«. Man hat auch die Möglichkeit, zu resignieren und zu versuchen, dem Geldsparen keinerlei Bedeutung mehr zu geben, oder auch wie bisher, nur noch strenger, zu sparen. Oder man kann daraus wertvolle Schlüsse für die Zukunft ziehen.
Ich habe für mich daraus gelernt, nie wieder an den kleinen Dingen zu sparen, die mir viel Freude schenken! Daran habe ich mich bis heute gehalten. Dies hat mir sehr viele zusätzliche schöne Momente des reinen Genusses beschert. Insofern hat dieser Verlust meinen Lebensgenuss für den Rest meines Lebens gesteigert.
Noch so einen gewinnreichen Verlust hatte ich am Ende meines Au-pair-Aufenthaltes in Amerika. Die Familie hatte an den Wochenenden einen zusätzlichen Babysitter. Leider war dieser, wie sich erst später herausstellte, kleptomanisch und schreckte auch vor der Bereicherung an meinen geringen Wertschätzen nicht zurück. Bis dahin sammelte ich leidenschaftlich Schmuck aus aller Welt, Uhren, verrückte Brillen, sogar bunte Socken. Ich war bestürzt, feststellen zu müssen, dass wertvolle Teile aus meiner Schmucksammlung fehlten. Meine ganze Sammlung schien mir wertlos und sie erinnerte mich immer an die fehlenden Stücke. Ich war voller Ärger!
Allerdings stellte ich mir auch die Frage, warum ich überhaupt so viele Dinge sammelte, die als solches ja noch nicht einmal einen Sammlerwert besaßen. Ich wusste es nicht. Es war einfach wichtig – wie Trophäen oder Beweisefür mein Leben, meine Unternehmungen und die Plätze, die ich besucht hatte. Unbewusst fing ich an, mich mit der Frage zu beschäftigen, was mein Besitz für mich bedeutete. Seither lebe ich leichter. Mit weniger Besitz, der mir abhanden kommen kann, und mehr Bewusstsein für die Werte, die ich wirklich schätze.
Der Verlust war eine sehr abrupte Spontanheilung meiner Sammelmanie. Er hat mir seither viel Geld und Platz gespart, den mich der ganze Kram inzwischen kosten würde. Ich habe sehr viel Klarheit und ein neues Besitzdenken gewonnen.
Ich habe damals beschlossen, dass alles, was mir wichtig ist, in einen Koffer passt. Das war ein großer Gewinn an Freiheit und Klarheit über meine Werte. Wenn ich in zehn Minuten mein Haus für immer verlassen müsste, wüsste ich zu jeder Zeit ganz genau, was für mich den entsprechenden Wert hat und was ich wirklich mitnehmen würde. Daran hat sich im Laufe der Zeit vieles geändert. Mein Koffer mit den wirklich wichtigen Dingen schrumpft. Das ist gut so. Ich glaube, er schrumpft in dem Maße, in dem ich innere Freiheit und den Bezug zu meinem Wert gewinne.
Zwei Fragen haben mich bewegt: Wer bin ich? Was ist eigentlich mein Besitz? Dabei stellte ich fest, dass die Antworten sich überschnitten und ich mich mit meinem Besitz identifizierte. Danach habe ich für mich eine klare Trennung beschlossen: Ich bin ich. Und mein Besitz ist mein Besitz. Er ist niemals wesentlich dafür, wer ich bin. Seither kann ich alles, was ich besitze, dankbar genießen. Vor allem die innere Freiheit, zu jedem Zeitpunkt auch ohne meinen Besitz sein zu können, ohne dadurch selbst an Wert zu verlieren.
Es gibt Menschen, die angesichts meiner 1-Koffer-Idee das Grauen packt. Sie horten immer noch:Streichholzschächtelchen des ersten Diskobesuches, Bierdeckel eines trinkreichen Abends, Mützchen, Fähnchen, Eintrittskarten und, und, und … Alles Ballast, der uns keinen Reichtum mehr bescheren kann. In jeder Minute, in der wir an der Vergangenheit hängen, sind wir getrennt vom Jetzt. Wir können nicht gleichzeitig das Beste aus diesem Moment machen, während wir in der Vergangenheit verweilen und vergangenen Momenten nachhängen.
Ohnehin ist das Eintauchen in alte Zeiten wenig sinnvoll. Entweder empfinden wir diese Zeiten tatsächlich als »besser«, dann bringen wir uns aktiv in das Leid und in den traurigen Bewusstseinszustand, dass es uns jetzt »schlechter«
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