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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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unverwertbar. Das liegt an dem Charakter dieses Verbrechens. Und an dem Charakter des Verbrechers. Da wir annehmen dürfen, daß der teure Verstorbene ein wenig mißtrauisch war, würde ich unterstellen, daß er auch eifersüchtig gewesen sein könnte. Sollte er vielleicht nur zu jedem von Ihnen von seinem Testament gesprochen haben, um Sie beide voneinander fernzuhalten? Wie auch immer, ich möchte Ihnen vorschlagen, sich gütlich zu einigen und jeder mit der Hälfte des Erbes zufrieden zu sein, was in Anbetracht der Hinterlassenschaft jeweils ein, wie ich annehme, durchaus akzeptables und ansehnliches Vermögen darstellen dürfte. Und falls Sie anläßlich Ihres Erbantrittes eine wohltätige Geste tun möchten, wie in alten Zeiten die Fürsten und Könige bei Übernahme des Thrones und der Regierungsgeschäfte, so empfehle ich Ihnen eine mildtätige und barmherzige Spende an den Timothy-Truckle-Fonds.«
    »Was ist das?« fragten die beiden Daytons wie aus einem Mund.
    Timothy erklärte es ihnen gern.
    Nach dem Gespräch ging er zu Napoleon und baute die Snarr-Sicherung wieder ein.
    »Nun«, fragte er, »du hast die Generalprobe mit angehört, bist du zufrieden mit meiner Redeweise?«
    »Nicht schlecht, nicht schlecht«, antwortete Napoleon. »Eine gewisse Bemühtheit und auch ein erster Erfolg sind durchaus zu bemerken, ja, im großen und ganzen kann man sowohl Wortwahl als auch Syntax als schon verbessert gegenüber Ihrem sonstigen Sprachgebrauch anerkennen, wenn es auch noch weit von wirklicher Beherrschung der Sprache entfernt ist. Und die Aussprache, mein Lieber, die Aussprache! Wenn Sie bitte einmal auf den Rhythmus achten wollen: Dadadumdadada, dadadum-dadada.«
    Timothy drehte lachend die Sicherung wieder heraus.
    9.
    Timothy hatte sich gut auf die Konferenz vorbereitet. Als seine Gesprächspartner auf der Bildwand des Schlafzimmers erschienen, saß er schon – oder richtiger: thronte er in seinem Bett. Er trug einen dunkelroten, mit goldenen Drachenmustern verzierten Morgenmantel aus Chinaseide; auch die Decke aus goldgelber Kaschmirseide, die er über sein Bett gebreitet hatte, war ein Original aus dem frühen 20. Jahrhundert. Er fühlte sich wie ein Großfürst beim Lever.
    Timothy entschuldigte sich mit seiner Krankheit, und er sah tatsächlich angegriffen aus. Die Schwellungen waren zwar zurückgegangen, dafür lagen dunkle Schatten unter seinen Augen, und tiefe Falten hatten sich eingegraben. Das gedämpfte Licht vertuschte, wie sehr Timothy nachgeholfen hatte. Die ungetönten, leblos fahlen Haare vervollständigten das Bild eines Schwerkranken.
    »Ich habe Mister Armstrong gebeten, diese Konferenzschaltung einzuberufen«, begann er, »weil Sie alle an der Aufklärung des geheimnisvollen Einbruchs in den Safe des kürzlich verstorbenen Abel Dayton interessiert sind. Ich weiß, einige von Ihnen werden jetzt überrascht sein, doch ich bitte Sie nur um ein wenig Geduld, dann werden Sie unschwer feststellen, wie sehr dieser Fall auch Sie betrifft. Jeden einzelnen von Ihnen.«
    Timothy ließ seinen Blick über die fast drei Dutzend Gesichter streifen. Die meisten kannte er persönlich, etliche waren schon seine Klienten gewesen, nur zwei waren ihm völlig fremd, das mußten die Vertreter der Versicherungskonzerne sein. Huxley von der GLOBE INSURANCE lächelte ein wenig säuerlich, Daisy Dayton lachte bezaubernd. Offensichtlich hatten die Daytons sich geeinigt, sie ließen sich zusammen übertragen. Weaverly und der junge Brooker – Timothy hatte ausdrücklich den Junior einladen lassen – sahen sehr besorgt aus, sie quälten sich ein Lächeln ab, als Timothy sie anblickte. »Ich weiß«, fuhr er fort, »wie kostbar Ihre Zeit ist, und werde bemüht sein, mich so kurz wie nur irgend möglich zu fassen. Der Dayton-Fall ist gelöst.«
    Timothy speiste das Bild des toten Doubles ein. Daisy Dayton zuckte angeekelt zusammen, auch die anderen machten nicht gerade begeisterte Gesichter.
    »Dieses arme Wesen«, erklärte Timothy, »mißgestaltet, verkrüppelt, nahezu ohne Gehirn, ein Wesen, das Mensch zu nennen sich Verstand und Zunge weigern, ist niemand Geringeres als derjenige, der den Dayton-Safe öffnete. Mühelos, muß dazu gesagt werden. Denn dieses Wesen ist ein genetisches Duplikat von Abel Dayton, ein Klon. Ich nehme an, Sie alle wissen, was darunter zu verstehen ist.«
    Als Timothy merkte, daß die Gesichter sich wieder ihm zuwandten, ließ er die Bombe los.
    »Meine Herren, mit Ausnahme von Mistreß

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