Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
er stolz. »Ich bin zu einem Felsen gebacken worden.«
Der nächste Morgen stieg aus dem stürmisch bewegten Meer wie ein Schöpfungstag, der Boden dampfte in der Sonne, der große, stille Vogel strich von den Klippen herüber, aber er ließ sich nicht wie sonst vor der Hütte nieder und begrüßte wie jeden Morgen seinen Menschenfreund mit leisem Schnabelklappern, sondern zog einen weiten Bogen unter dem Himmel, strich am Ufer entlang und drehte dann ab aufs Meer.
»Nanu, Vogel!« rief Bäcker ihm nach. »Wohin denn? Hat dich der Sturm verrückt gemacht? Der Frühstückstisch ist gedeckt. Komm, Vogel!«
Er hinkte hinunter zum Strand, fand in der Brandung jede Menge Äste und Tang, ein paar Schildkröten und tote Fische und erkannte weiter draußen, jenseits der Uferströmung und der schmalen Korallenbarriere, einen tanzenden Fleck im Meer. Die Wellen spielten mit ihm, warfen ihn vor sich her, bis er so nahe war, daß er Gestalt annahm. Es war eine in der Sonne schimmernde, silberne Scheibe, ein merkwürdiges Ding, ähnlich einem großen, mit Metallfarbe bestrichenem Brett. Es trieb mit der Strömung, das es jetzt erreicht hatte, an der Insel entlang, von der laufenden Ebbe zurückgehalten – ein rätselhafter Gruß von irgendwoher.
Wäre Flut gewesen, hätten die Wellen es über die Korallenbänke hinweg an den Strand geworfen, so aber lief Bäcker eine Weile am Ufer neben dem blinkenden Ding her, zur anderen Inselhälfte hin, die er noch nicht erforscht hatte und wohin er am nächsten Montag – nach Viktoria-Zeit – zu einer Expedition aufbrechen wollte. Der Strand zog sich anscheinend wie ein Kranz um die Insel – von der Höhe des Hügels aus hatte er es nur in Andeutungen gesehen –, ein Sandkragen gewissermaßen, den nur der nackte, dunkle Felsen links von ihm durchschnitt.
Meine Insel ist eine runde Sache, dachte er. Ein abgeschliffener Kiesel im Meer. Und auf so etwas lebe ich nun. Verdammt, es lebt sich gut darauf.
Er blickte zurück. Seine Hütte war nur noch ein Tupfer im gelben Sand, die ausgespannte Gummiinsel ein orangefarbener Klecks. Der Albatros war auch wieder da, hüpfte vor ihm her, blieb ab und zu stehen, plusterte sein Gefieder, breitete die Flügel aus wie Arme und benahm sich sehr nervös.
Halt, konnte das heißen. Nicht weiter. Kehr um, mein Freund!
Bäcker ging weiter. Das glitzernde Ding verschwand, die Strömung war schneller als er, aber dann hieb es gegen ihn wie ein Schlag. Er blieb stehen und glaubte nicht, was er sah.
Vor ihm, aus dem Meer kommend, waren Eindrücke im noch feuchten Sand. Deutliche Spuren, tief in den Sand getreten. Daneben eine breite flache Spur, als ob man jemanden über den Strand geschleift hätte.
Menschenfüße.
»Das ist doch nicht möglich«, sagte Bäcker. »Vogel, ich werde wahnsinnig. Sag, daß ich verrückt bin! Ich sehe Menschenspuren. Hier auf meiner Insel. Sie kommen direkt aus dem Meer. Das gibt es doch gar nicht. Hier bin ich doch allein auf der Welt!«
Er sah sich um, kniete nieder, untersuchte die Eindrücke und stellte fest, daß es keine nackten Füße gewesen waren, sondern Abdrücke von Männerschuhen. Vom Meer zum Land, und daneben eine Schleifspur.
Das elektrisierte ihn geradezu. Er sprang auf, legte einen Pfeil auf die Bogensehne, klemmte den Speer unter die linke Achsel und ging langsam den Spuren nach. Vor ihm, etwas höher gelegen, unterhalb der kranzförmigen Böschung, hatte die Natur begonnen, den Sand zu erobern. Büsche wuchsen hier, dorniges Gestrüpp, kleine, windzerzauste, armselige Palmen. Der Wald hatte zur Eroberung der Einsamkeit angesetzt und klammerte sich im Boden fest.
Der Albatros blieb stehen, spreizte wieder die Flügel und hielt Bäcker damit auf. Er vertrat ihm regelrecht den Weg und streckte den Kopf mit halbgeöffnetem Schnabel vor.
»Ich weiß, Vogel –«, sagte Bäcker leise. »Das ist eine mistige Entdeckung. Aber wir müssen das klären. Viktoria-Eiland gehört mir!«
Nach ein paar Schritten hörte er plötzlich Stimmen. Unartikuliert, lallend, als stieße jemand Töne aus, nur der Töne wegen.
Bäcker duckte sich, winkte dem Vogel, daß er zurückbliebe, und schlich nach vorn gebückt, den Bogen gespannt, auf die Buschgruppe zu, die sich zwischen Böschung und Meer geschoben hatte.
Die Stimme wurde deutlicher, eine männliche Stimme, von Schwäche überwältigt, unterbrochen von Keuchen und Husten.
»Leben Sie?« fragte die Stimme. »Geben Sie Antwort! Sie sind gerettet. Verdammt, ich
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