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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weiß nicht, ob Sie wirklich noch ohnmächtig sind. Sie sind zäh wie eine Katze. Sie überleben alles! Wachen Sie endlich auf, Sie können nicht immer so daliegen. Glauben Sie, ich lasse Sie einfach wegschwimmen? Das wäre zu ungerecht gewesen. Vor einem Mord kann man nicht einfach davonschwimmen. Wachen Sie auf!«
    Die Stimme ging wieder in Keuchen über. Der Mann hustete, spuckte aus, Sand knirschte – jetzt will er aufstehen, dachte Bäcker –, aber er fiel schon nach der ersten Bewegung wieder in sich zusammen.
    Bäcker blieb in seiner Deckung jenseits des Busches. Das Wort ›Mord‹ hatte ihn zusammenzucken lassen. Er drehte sich nach dem Albatros um. Der Vogel stand dicht hinter ihm, unbeweglich, mit hängenden Flügeln. Es ist merkwürdig, dachte Bäcker. Kaum ist ein Mensch da, fällt das Wort Mord. Es scheint an ihm zu kleben wie sein Geruch.
    Er legte den Bogen in den Sand, umklammerte seinen Bambusspeer und bog ganz langsam die Zweige auseinander.
    Im Sand, zum Schatten hingekrochen und geschleift, ohne ihn erreicht zu haben, lagen ein Mann und eine Frau. Sie trugen Schwimmwesten umgeschnallt, von denen noch das Wasser troff. Der Kopf der Frau lag in den Sand gewühlt, ihr schwarzes Haar klebte um ihr Gesicht wie verbrannter Tang. Der Mann lag auf dem Rücken und hatte die Arme ausgebreitet, als wolle er sich der Sonne ergeben. Er war mittelgroß und breitschultrig, sein Haar war streichholzkurz geschnitten. Hemd und Hose waren so zerfetzt, daß man die breiten Muskeln deutlich sehen konnte. Ein paarmal hob der Mann den Kopf, man merkte, wie große Mühe er damit hatte, er sah die Frau an und fiel dann wieder in den Sand zurück. Wie große, umgekippte Schildkröten lagen sie, die Sonne brannte ihre verzerrten Gesichter aus, und wenn sie hier liegenblieben, würden sie verdunsten wie Quallen.
    »Geben Sie Antwort –«, sagte der Mann mühsam. »Sie stellen sich nur tot! Ich weiß, daß Sie leben. Leider –«
    Die Frau rührte sich nicht. Der Mann versuchte, sich auf den Bauch zu wälzen. Es gelang ihm, er kroch zu der Frau, faßte ihre Arme und begann mit sinnlosen, schwachen Wiederbelebungsversuchen. Nach viermaligem Pumpen stöhnte er auf und klatschte kraftlos neben der Frau in den Sand.
    Das war der Augenblick, in dem Werner Bäcker durch den Busch brach. Der Mann hob den Kopf, Entsetzen riß seine Augen auf, er stöhnte laut und wollte die Fäuste zur Abwehr heben. Was da vor ihm aufwuchs, war für ihn wie eine Geistererscheinung. Ein Wesen, das aufrecht ging, eine Gestalt von menschenähnlichen Maßen, aber sonst nichts Menschliches mehr … ein gegerbtes, von wilden Haaren überwuchertes Gesicht, ein Riese, von unten betrachtet, ein Fossil aus der Vorzeit.
    Der Mann versuchte noch einmal, die Arme zur Abwehr hochzuwerfen, aber sie bewegten sich nicht mehr, sie zuckten nur noch.
    »Oh!« stöhnte der Mann. »Oh! Oh!« Immer nur: »Oh!« Mehr hatte das Grauen nicht übriggelassen. Dann fiel er in Ohnmacht.
    Bäcker atmete schwer. Die Begegnung mit zwei Menschen auf seiner Insel hatte ihn mehr mitgenommen, als er erwartet hatte. Er ließ sich erschöpft neben den beiden Ohnmächtigen in den Sand fallen und betrachtete die Frau vor sich.
    Sie war sehr schön. Zwischen den langen schwarzen Haaren, die das Gesicht verklebten, sah er ihren Mund. Volle, weiche, sensible Lippen.
    Die Frau trug ein dünnes Kleid, das durch die Nässe eng an ihrem schlanken Körper klebte, die Brüste und die weichen Rundungen der Schenkel zeichneten sich deutlich ab. Es ist dumm, sie so anzusehen, dachte er. Sie braucht Hilfe, aber wie sie so vor mir liegt, ist es merkwürdig, daß es in all den Wochen auf der Insel hundert verschiedene Dinge gegeben hat, an die man dachte, die man ersehnte, die man vermißte – nur an eine Frau habe ich nie gedacht. Doch ja, an Viktoria habe ich gedacht, es waren traurige Momente. Aber wie diese fremde Frau jetzt vor mir liegt, wäre es ein neues Erlebnis, sie zu berühren und die Linien ihres Körpers mit den Händen nachzuzeichnen.
    Bäcker erhob sich, hob die Frau aus dem Sand und trug sie zu seiner Hütte. Sie war schwerer, als er gedacht hatte. Er hielt ein paarmal an, erholte sich, wunderte sich, daß sein Knochen das mitmachte, warf dann den zierlichen Frauenkörper über die Schulter und spürte ihre mädchenhafte Brust an seinem Rücken, umklammerte ihre langen schlanken Beine – Antilopenläufe, dachte er völlig sinnlos – und stampfte weiter durch den Sand. In der Hütte

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